In 19 Tagen um die Welt: Hanoi – keine Schlange für Onkel Ho
Im Privatjet ALBERT BALLIN geht es von der "Sansibar" auf Sylt über New York, Kodiak, Osaka, Hanoi und Sansibar einmal um die Welt. Für den PASSAGEN BLOG berichtet Wolfgang Peters von unterwegs. 7. Etappe: Hanoi – eine Stadt mit morbidem Charme, in der niemand mehr ansteht, um die Leiche von Ho Chi Minh zu sehen
Eine Reise im Privatjet ist ein sehr komfortables Abenteuer: keine Warterei am Flughafen, kein Umsteigen von einem Flugzeug ins andere, kein Organisationsstress – einfach genießen. Eine Weltreise im Privatjet ist die ultimative Steigerung des Konzepts. Am 9. August ging es los. Die langstreckentaugliche und mit nur 40 Passagiersitzplätzen ausgestattete Boeing 737-700 ALBERT BALLIN startet in Stuttgart, ihre Route: Sylt – New York – Québec – Kodiak – Osaka/Kyoto – Palau – Hanoi – Sansibar – Stuttgart. Für uns berichtet Reiseexperte Wolfgang Peters von unterwegs. Wir werden ihn in Manhattan am Empire State Building sehen und in Kodiak bei den Grizzlys, auf Palau in Badehose und in Hanoi mit Streetfood. 7. Etappe. Hanoi – der raue Charme der Metropole.
Ich mag das Flair Hanois, den kolonial-maroden Charme dieser Stadt, ihre Tempel und den wunderbar stillen See mitten drin. Ihre endlosen Galerien, die überquellenden Straßenmärkte, die bunten Auslagen in den zahllosen Geschäften der 36 Gassen in der Altstadt. Dazwischen die Kathedrale des Heiligen Joseph neben bunten chinesischen Tempeln, von Moos bewachsenen Mauern und winzige Dachstuben aus deren Fenstern Wäsche hängt.
Telefonkabel und Stromleitungen bilden über den Köpfen der Menschen eine eigene unglaubliche Welt, man fragt sich, wie das funktioniert, überall wird schwarz angezapft, die Kabel verschwinden hinter Satellitenschüsseln und Fenstern. Was aber die Besucher besonders fasziniert, ist das unfassbare Heer der Motorroller, die sich wie zu einer Invasion an jeder Ampeln bei Rot versammeln, um dann gemeinsam zum Angriff überzugehen. Auf Grün.
Ein Europäer zögert so lange, bis die Ampeln wieder rot sind und kommt in Hanoi alleine nie über die Straße. Also versuchen wir es gar nicht erst, sondern besteigen vor dem schönen, im Kolonialstil gehaltenen „Metropol Hotel“ unsere Fahrradrikschas und lassen uns durch die Altstadt strampeln. Sitzt man im traditionellen Gefährt des Landes, ist dessen Wandel geradezu spürbar, das Leben rast in großen Motorroller-Schwärmen an einem vorbei. Wir blicken in die Teetassen der an niedrigsten Tischen sitzenden Teehausbesucher, wie schaffen es die Vietnamesen nur, von diesen Ministühlen wieder hochzukommen? Und ob wir diese Rikschas je wieder lebend verlassen, bei diesem Verkehr?
Da sehnt man sich schon nach Minuten zurück in den auf dem Wege vom Flughafen besuchten Literaturtempel, der inmitten der Stadt eine wohltuende Ruhe ausströmte. Seine schönen Stelen, auf dem Rücken steinerner Schildkröten ruhend, vermitteln die uralte Hofkultur der Vietnamesen. In ihrem Konfuzianismus unterscheiden sie sich kaum von China, sind aber doch stolz auf ihre Selbstständigkeit, auf ihre eigene Nation. Bis in die jüngste Zeit mussten sie sich gegen Chinas Invasionsversuche wehren. Die Mandarine Vietnam studierten noch bis zu den Tagen der Franzosen in dem uralten Tempelareal, welches dadurch eher den Charakter einer Hochschule einnahm. Wer die schweren Prüfungen bestand, galt im vietnamesischen Kaiserreich als gemachter Mann.
Konfuzius und Ho Chi Minh lassen sich nur schlecht auf einen Nenner bringen, obwohl die kommunistische Partei im Grunde die gleiche Rolle einnahm, die der gestürzte Kaiser inne gehabt hatte. Die Erinnerungen der Rufe „Ho, Ho, Ho Chi Minh“ unserer Studententage werden wach, als wir vor der schlichten, an Lenins Mausoleum erinnernden Grabstätte des Begründers des modernen Vietnam stehen. Früher warteten davor die Besucher in langen Schlangen, um einen Blick auf die gewachste Leiche von Onkel Ho werfen zu dürfen. Heute ist niemand da. Und unsere Lektoren ersparen uns den Anblick des kleinen Mannes. Wir begnügen uns mit einem Foto der Grabstätte und der kleinen Wohnhütte im Park, umgeben von schönster Kolonialarchitektur.
Den Abend verbringen wir im Restaurant eines der ersten Starköche der Stadt, Bobby Chin. Früher residierte es in einem wunderschönen Lokal direkt am Hoi Kham See, inzwischen ist es an die Peripherie der Stadt gezogen, es gibt inzwischen sogar eine Filiale in London. Seine nicht ganz so leichte, asiatisch-französische Fusionsküche macht Freude, der Lachs an Wasabipuree ist ein Genuss und die Nachspeise leider viel zu verlockend, um nicht davon zu probieren. So sollten wir eigentlich nach Hause laufen, aber der Weg ist weit, und der Bus bringt uns schneller an die schöne Hotelbar.