Die Geschichte beginnt hier: vom Rennpferd zur Luxusyacht
Die Geschichte beginnt hier. Das erste richtige Kreuzfahrtschiff – wie könnte es aussehen? Hapag-Generaldirektor Albert Ballin zerbricht sich 1899 den Kopf, wo er eine solche Luxusyacht herbekommen könnte. Zum 125-jährigen Jubiläum der Kreuzfahrt berichtet der PASSAGEN BLOG von Hapag-Lloyd Cruises über einige Meilensteine in der Entwicklung der Kreuzfahrthistorie
von Lisa Schönemann
Kurz vor der Jahrhundertwende, die ersten Hapag-Kreuzfahrten waren vom Publikum gerade mit viel Beifall bedacht worden, fehlte der erfolgreichen Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG) nur noch eines: das passende, vor allem gut ausgestattete Schiff für maritime Weltenbummler. Eine Luxusyacht für zukünftige Excursionen.
Die sechs Quadratmeter engen Kabinen – ohne Bad – der AUGUSTA VICTORIA waren eher für Transatlantik-Gäste geeignet. Das schmale Schiff auch. Während der Überfahrt von Southampton nach Lissabon 1891 schaukelte es gewaltig. Die Seekranken schlossen Freundschaften fürs Leben, die Seefesten priesen den im prunkvollen Speisesalon servierten Dorsch. Die euphorische Stimmung passte zum Luxus des Lebensgefühls, mitten im Winter von Hamburg in den Orient zu reisen: unfassbar schön das Sonnenlicht an Deck, die Meeresbrise, der Drehschwung der Äffchen auf den Felsen von Gibraltar. Wen störte es, dass ein Platz auf der Liste des Bade-Stewards nur mit einem dramatischen Augenaufschlag zu bekommen war?
Während die Zeitungen und das reisende Publikum ab 1891 den Erfolg der von Albert Ballin initiierten, ersten Vergnügungsreisen feierten, befand der Hapag-Direktor: So konnte es nicht weitergehen. Ballin hatte als Erster erkannt, dass Lustfahrten neben der traditionellen Linienschifffahrt ein zweites geschäftliches Standbein für die Reederei werden könnten. Noch nächtigten die Pioniere unter den Kreuzfahrtgästen in schmalen Doppelstockkojen. Über die Windhutzen kam an windstillen Mittelmeertagen kaum genug frische Luft in die Kajüten. Man hatte mit der AUGUSTA VICTORIA einen der Schnelldampfer der Hamburg-America Linie zur Luxusyacht erklärt. Es war eine Übergangslösung.
Für eine mehrwöchige, luxuriöse Mittelmeerreise war das Schiff nicht gebaut. Plötzlich zählte nicht mehr die Schnelligkeit, mit der die Doppelschraubendampfer als „Rennpferde“ in sieben, acht Tagen die Neue Welt erreichten, sondern der Komfort. Die Lösung: ein ausschließlich für Kreuzfahrten bestimmtes Schiff. Erste Ansätze sollten 1895 mit dem Umbau der SUEVA verwirklicht werden. In letzter Minute erkannte das Hapag-Direktorium, dass so ein Umbau den guten Ruf der Reederei aufs Spiel gesetzt hätte.
1899 schrieb Ballin, inzwischen Generaldirektor der Hapag, in einem Brief: „Ich werde morgen mit der hiesigen Werft von Blohm & Voss den Bau eines Dampfers kontrahieren, welcher in seiner Art einzig in der Welt dastehen wird. Eine große Yacht, die weder Post noch Ladung befördert und nur für Reisende der ersten Klasse eingerichtet ist. Dieses Fahrtzeug wird den Passagieren einen Comfort bieten, wie er bisher auf Schiffen niemals erreicht worden ist.“
Am 24. August 1899 erfolgte die Bestellung des ersten Luxus-Kreuzfahrtschiffs, bei dem sich Blohm & Voss-Chefkonstrukteur Fritz Nordhausen und seine Männer bewähren sollten. Der Start der Jungfernreise der Luxusyacht wurde für den 28. August 1900 terminiert: 135 Tage rund um die Welt für Fahrpreise zwischen 3000 und 10 800 Mark pro Person. Daraus wurde nichts, denn die Werftarbeiter hatten angesichts ihres mageren Stundenlohns wenig Eile, den Schiffsneubau fertigzustellen. Wegen ihres ausdauernden Streikes mussten alle geplanten Fahrten bis Ende 1900 abgesagt werden.
Tatsächlich trat die PRINZESSIN VICTORIA LUISE erst im Januar 1901 ihre erste Reise von Hamburg über New York in die Karibik an. Die Hapag achtete peinlich darauf, dass der Name der Kaisertochter fehlerfrei am Bug auftauchte. Hatte man zuvor den Schnelldampfer AUGUSTA VICTORIA nach der Gemahlin des Kaisers benannt, die verbrieft Auguste hieß, leicht seekrank wurde und Schiffe nicht ausstehen konnte, sollte diesmal alles korrekt sein.
Ein schmaler weißer Rumpf, ein schnittiger Klipperbug, zwei schlanke Schornsteine: Die PRINZESSIN VICTORIA LUISE sah nicht wie ein Passagierschiff, sondern wie eine Luxusyacht aus. Ein maßgeschneidertes Produkt mit einem Speisesaal für 200 Gäste, eleganten Salons, einer Halle für schwedische Heilgymnastik, einer schönen Bibliothek sowie einer Dunkelkammer für Amateurfotographen. Das stählerne Riesenschiff hatte erstmals Dimensionen, die eine Gestaltung wie in einem erstklassigen Hotel erlaubte. Die 119 luxuriösen Doppelkabinen waren, sechs bis zwölf Quadratmeter groß, mit Betten neben- statt wie bisher übereinander ausgestattet. Allesamt verfügten über Beleuchtung und eine Klingelleitung zur Dienerschaft, Dampfheizung und elektrische Ventilatoren. Besonders die amerikanischen Gäste schätzten die Kombination aus deutschem Perfektionismus und „German Gemütlichkeit“.
Nach der ersten Karibik-Reise kreuzte die PRINZESSIN VICTORIA LUISE, 15 Knoten schnell, im Sommer in Nordeuropa, im Frühjahr und Herbst im Mittelmeer. 180 Passagiere trafen auf 161 Besatzungsmitglieder. Allein dieses Verhältnis garantierte ein hohes Niveau, selbst wenn man berücksichtigt, dass der Anteil des Maschinenpersonals (und der Heizer) an der Besatzungsstärke damals deutlich höher war als heute.
1904 kam die kleinere METEOR in Fahrt, ein Kreuzfahrtschiff für preiswertere, europäische Passagen. 1905 bewarb die Hapag eine Seereise explizit mit der „Heilwirkung der köstlichen Seeluft“ und pries das Schiff als „schwimmenden Kurort“ an, mit dem die „Segnungen des Meeres“ im Gegensatz zu dem „nervenaufreibenden Geräusch der Maschine Welt“ genossen werden konnten. „Eine Fahrt mit einem modernen Ozeandampfer ist für den Reisenden ein behaglich dahinfließendes dolce far niente, eine Zeit genießerischen Nichtstuns, in der er ausruht von der Unrast des Festlandes, von dem Lärm der Stadt und den Anstrengungen der Arbeit“, hieß es in einem Prospekt.
An Bord erwartete die Passagiere ein besonderer Service: Kreuzfahrer konnten der Reederei Namen und Adressen der Daheimgebliebenen aufgeben, denen sie Urlaubsgrüße senden wollten. Mehrmals pro Reise erhielten diese von der Hapag eine Postkarte mit den vom Kapitän telegrafisch übermittelten, neuesten Nachrichten vom Fortgang der Reise. Nur eines war gleich geblieben: Allein die Kaisersuite auf der PRINZESSIN VICTORIA LUISE hatte eine Nasszelle, alle anderen lediglich zwei Waschbecken. Für die Badezimmer auf dem Gang gab es eine Liste. Der Bade-Steward war noch immer einer der mächtigsten Männer an Bord.
Fotos: Archiv, Courtesy Library of Congress (3)
Die Geschichte beginnt hier. Die Themen-Seite zum Jubiläum 125 Jahren Kreuzfahrten sammelt Berichte über die Innovationen von Hapag-Lloyd Cruises, zudem werden über einen Zeitraum von mehreren Monaten einige Reisen mit einem Jubiläumsrabatt von 12,5 Prozent angeboten.
Die erste Kreuzfahrt mit der AUGUSTA VICTORIA startete am 21. Januar 1891. Lesen Sie hier den Bericht im PASSAGEN BLOG über die „Lustreise in den Orient“. Diese Reise war nicht nur eine Premiere, sie bildete auch den Auftakt der Kreuzfahrt-Branche – und bei der Ausstattung der Schiffe setzte man fortan nicht mehr nur auf Geschwindigkeit, sondern auch auf Komfort.