Events: Die Erstanfahrt eines Schiffes ist in vielen Hafenstädten ein Fest
Es ist eine der schönen Traditionen, dass der Kapitän eines Schiffes, das zum ersten Mal einen Hafen anläuft, ein Präsent erhält. In der Regel ist es eine Plakette. Doch in vielen Häfen wird gar ein kleines Fest gefeiert. Eine Party auch für die Gäste an Bord. Anlässlich des Erstanlaufs der EUROPA 2 in Wismar baute sich das Musketier-Bataillon auf und feuerte sogar eine Kanone ab
Die meisten Musketiere fahren Kombi. Denn sie müssen ihre Gewehre transportieren. So eine Muskete ist rund 150 Zentimeter lang, die passt nicht in jeden Kleinwagen. Und auch die Kleidung nimmt viel Platz ein – der hohe Hut mit dem roten Bommel, dem goldenen Stern und dem schweren Kinnriemen, die fast kniehohen Stiefel, die Uniform mit ihren Schulterklappen und Orden. Es gibt vieles, das ordentlich weg gelegt werden muss, damit es lange hält. Denn so eine historische Uniform, kann man nicht einfach in einem Modegeschäft kaufen, die muss man selber anfertigen.
Dass der Kapitän des 1. Musketierbataillons Wismar einen größeren Kombi hat, als seine “Untergebenen”, hat nichts damit zu tun, dass sich hier Gegenwart und gespielte Vergangenheit vermischen, sondern vor allem mit der “Kleinen Barbara”. So heißt die Kanone, die hinten im Auto mit fährt, und die jetzt in Richtung Kaimauer gezogen wird. Übrigens unter gütiger Anteilnahme der Ordnungsmacht. Die Polizei muss dabei sein, wenn öffentlich mit Schießpulver hantiert wird…
Dabei wird die Kanone gar nicht mit einer Kugel geladen. Die Mitglieder des 1. Musketierbataillons Wismar können also nicht einmal ungewollt das Schiff versenken, zu dessen Auslaufen sie einen Salut schießen sollen. Warum aber überhaupt ein Salut? Es ist eine gute alte Tradition, dass dem Kapitän eines Schiffes bei dessen Erstanlauf in einem Hafen eine Plakette überreicht wird, meist zeigt die schlicht das Wappen der Stadt oder das Symbol des Hafens. Angebracht wird die Plakette im Bereich der Brücke aufgehängt. Und das war´s.
Doch bei Passagierschiffen inszenieren manche Häfen gern ein kleine Show. So baute sich etwa in Flensburg zur Erstanfahrt der EUROPA eine Jazz-Band auf, und es wurde gespielt und Spaß gehabt. Und wo Musik ist, ist auch ein Bier nicht weit. Und so gab es einen Getränkestand, an dem sich schon am frühen Vormittag eine lustige Gesellschaft eingefunden hatte, um auf das Schiff zu warten, anzustoßen, um jubelnd eine kleine La-Ola-Welle auszuführen.
Für die Gäste an Bord ist das immer etwas besonderes. Wer per Bahn in eine Stadt kommt, freut sich meist darüber, pünktlich zu sein. Wer im Auto anreist, ist ohnehin mit den Nerven fertig. Die Passagiere im Charterflieger applaudieren dem Piloten, der sie heil ans Ziel gebracht hat. Doch nur den Gästen eines Schiffs wird gewunken oder gar ein Ständchen gespielt. Und zum Auslaufen schließlich wehmütig hinterher gewunken. Begleitet schließlich von einem Böllerschuss und mehreren Gewehrsalven.
Wir hatten ein wenig mit den Männern und Frauen – die bedienten die Kanone – gesprochen: Wie man überhaupt dazu komme, sich hier als Musketier aufzubauen, wollten wir wissen. Und man erzählte uns von der Begeisterung für die Geschichte, die sich irgendwann einen Ausdruck suchte für die normale Welt. Die Freizeitkämpfer, die eigentlich viel zu gemütlich sind, um sich selbst als Kämpfer zu sehen, sie nennen sich Darsteller, nahmen an Stadtfesten teil, an Wachablösungen, an militärischen Darstellungen, an militärhistorischen Nachgestaltungen, etwa der Völkerschlacht bei Leipzig. Und so rutschten sie immer tiefer hinein in das Leben eines Freizeit-Zeitreisenden.
Die Uniformen sitzen inzwischen, alle Schleifen und Orden prangen an der rechten Stelle. Die Freizeitsoldaten bauen sich sogar noch schnell für das von uns gewünschte Gruppenfoto vor dem Schiff auf, jetzt stopfen sie sich Ohropax in die Ohren, und die Gewehre werden geladen. Wir sind so fasziniert von all den Vorbereitungen, dass wir fast versäumen, rechtzeitig an Bord zu gehen. Der Security-Offizier winkt schon sehr energisch. Wir verabschieden uns von der Kompanie und freuen uns später ganz besonders über den Schuss, dessen Echo dumpf und schwer über die Bucht von Wismar rollt.
Ein Historiendrama von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)