Expedition im Pazifik: MS BREMEN und die Traum-Palme
Expedition im Pazifik: Von Japan über die Karolinen- und Marshallinseln nach Fidschi führt diese Reise mit der BREMEN. Im PASSAGEN BLOG schreibt Autor Maik Brandenburg über eine Traum-Palme – denn zum ersten Mal seit mehr als 100 Jahren ankert wieder ein deutsches Schiff vor der zu den Marshalls gehörenden Insel Jaluit
von Maik Brandenburg (Text und Fotos)
Mal angenommen, die uralte Kokospalme, die ihren Wipfel über das Ufer ausbreitet wie einen riesigen Sonnenschirm, hätte ein Gedächtnis. Dann würde sie sich wundern: Die Laute, die sie da hört, hatte sie die nicht irgendwann schon mal vernommen? Das Stimmengewirr aus dutzenden Kehlen – klingt es nicht irgendwie vertraut? Der uralten Kokospalme legte sich die Stirn in Falten, sie müsste lange und tief graben in ihren Jahrersringen. Aber dann hätte sie es: Diese Worte, diese Reden, das war eindeutig deutsch. Die greise Traum-Palme würde sicherlich vor Überraschung ihren grünen Kopf schütteln. Vielleicht fiel ja gerade darum eine Kokosnuss herab und knapp vor meine Füße. Ich nehme sie als freundlichen Willkommensgruß.
Gut einhundert Jahre sind es her, seit das Jaluit Atoll (Marshall Islands) das letzte Mal ein deutsches Schiff gesehen hat. Damals mag es noch unter vollen Segeln daher gefahren sein, vielleicht auch hatte dicker Qualm aus rauchenden Schloten sein Kommen angekündigt. Sicher aber war dieses Schiff seinerzeit im Dienste der Jaluit-Gesellschaft unterwegs, einem deutschen Handelsunternehmen, das vor allem mit dem Kopra-Export nach Deutschland prosperierte. Noch heute künden zahlreiche Bauten im Hauptort Jabwor von den Aktivitäten der „Südsee-Deutschen“, darunter die Zisterne, die Pier oder die Grundmauern des „Kaiserlichen Reichskommissariats“ (samt einigen Ziegeln im Wasser).
Ein Hotel „Germania“, betrieben vom rührigen Post- und Hafenmeister Carl Domnick, beherbergte die Gäste der Inselwelt. Domnick war es auch, der in einer Ecke seines Hotels ein gleichnamiges Bier braute, im Kupferkessel und selbstverständlich nach deutschem Reinheitsgebot. Falls es geschmeckt hatte, so konnten es die Gäste den Lieben zu Hause berichten – auf einer von Carl Domnick entworfenen Postkarte, frankiert von einer Briefmarke, natürlich ebenfalls das Werk des fleißigen Mannes.
Das Hotel „Germania“ ist längst verschwunden, von einem Taifun zerfetzt. Dennoch hoffen die Passagiere der MS BREMEN wenigstens eine Scherbe jenes Bieres mit Namen „Domnick“ zu finden. Ein vergebliches Unterfangen, längst ist alles fortgewaschen, was nicht – wie Pier oder Zisterne – tief vermauert worden war. Doch die Passagiere werden reichlich entschädigt durch die Gastfreundlichkeit der Einheimischen, durch eine Insel im Licht und einer Lagune, so blau wie kein Computerprogramm es je hinkriegen könnte. Vor allem der Gottesdienst in der Katholischen Kirche nahm die Ankömmlinge gefangen, insbesondere der eindringliche, vielstimmige Gesang. Darunter jener von Schwester Luise von den „Missionsschwestern vom Heiligsten Herzen Jesu von Hiltrup“. Die kleine, freundliche Dame mit dem grauen Kurzhaarschnitt wohnt seit Jahren auf Jaluit. Ihr mit vielen englischen Vokabeln durchsetztes Deutsch ließ nichtsdestotrotz den Akzent ihrer einstigen westfälischen Heimat erkennen.
Wem die katholische Messe nicht reichte, der kann am sonntäglichen Service der „Assembly of God“ teilnehmen oder vier weiteren Konfessionen seinen Besuch abstatten – in einem weihergroßen Ort, wohlgemerkt, der kaum 500 Einwohner beherbergt.
Der Sonntag auf Jabwor: Bunte Wäsche trocknet zwischen Palmen, Mädchen palavern auf umgekippten Booten, junge Männer streichen wie absichtlos um sie herum. Sie alle wohnen im Internat der High School, sie kommen von den entfernteren Inseln des Atolls, den Outer Islands. Ein Mann wäscht sein Auto, seine Frau im Fond des Wagens liest Homers „Die Reisen des Odysseus“. Hühner scharren um Ferkel, die, an einem Bein angeleint, um milde Gaben grunzen. Buntes, unbekanntes Gefieder schwirrt um die Äste, ein Reiher beäugt hoffnungsvoll einen Teich. Ältere Männer spielen Karten unter einem Bananenblätterdach, sie lachen, sie trinken Brause – ein Frühschoppen ohne Bier. Die Dreikäsehoch der Sonntagsschule gucken sehnsüchtig auf die Großen, die draußen an der Highschool schon Basketball spielen dürfen.
Ein Polizist bittet interessierte Passagiere in seinen Diensttruck zu einer kleinen Rundfahrt. Er fährt uns zum „Airport“, eher ein Grünstreifen, auf dem einmal pro Woche das Flugzeug aus der Hauptstadt Majuro landet. Noch weiter auf Jaluit passieren wir das Denkmal der Opfer japanischer Besatzungszeit. Damals war den Bewohnern veboten, Nahrung zu produzieren oder weiter zu geben. Spielzeug war nicht veboten. So bastelten die Mütter Ketten mit kleinen Bällen, in denn sie Reis versteckten. Neben den Blütenkränzen ist diese Kette noch heute der Willkommensgruß auf Jaluit.
Es ist schon früher Abend, als sich die MS BREMEN wieder auf ihre Fahrt ins unendlich scheinende Blau des Pazifiks macht. Zuvor war die nahe, unbewohnte Insel Enywet noch Gastgeberin für ein Barbeque am Strand (Spanferkel am Spieß) samt anschließendem Schnorcheln im seichten, dreißig Grad warmen Wasser. Wohl keiner an Bord, der nicht noch gern ein wenig geblieben wäre. Doch die MS BREMEN muss weiter, neuen, unbekannten Ufern entgegen.
Aber ganz sicher wird die uralte Kokospalme am Strand von Jaluit nicht weitere einhundert Jahre warten müssen, bis sie wieder einmal ein deutsches Schiff begrüßen darf. Darauf einen Toddy, einen Palmenschnaps.
Hier finden Sie weitere Informationen über die Expedition Marshallinseln und Karolinen mit MS BREMEN, und diese Übersichts-Seite enthält weitere Reise-Angebote mit den Expeditionsschiffen im Pazifik und in der Südsee.