Expedition Nordostpassage: Die stillen Stars der HANSEATIC
Was ein Satz: Eine Reise, die so noch niemand gemacht hat! Die HANSEATIC kommt nach erfolgreicher Durchfahrung der Nordostpassage für eine Stippvisite nach Hamburg, wo sie neben der EUROPA am Cruise-Terminal liegt. Für den PASSAGEN BLOG besuchen wir die "Helden" an Bord des Expeditionsschiffes. Die zeigen sich glücklich, begeistert, vor allem aber – überwältigt von den Erlebnissen einer besonderen Reise
Zurück vom Ende der Welt: Am frühen Morgen läuft die HANSEATIC mit langsamer Fahrt in den Hamburger Hafen ein
von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)
Es ist kurz nach sechs Uhr morgens. Langsam lichtet sich die Dunkelheit im Hafen von Hamburg, und doch sehen nur wenige Menschen das kleine Kreuzfahrtschiff, das die Elbe hinauf fährt. An Bord der HANSEATIC aber sind alle wach, betrachten von den Außendecks die aufwachende Stadt. Und suchen die Ufer ab nach Jubelnden. Müsste man ihnen nicht einen großen Empfang bereiten? Am Cruiseterminal in der Hafencity hat sich eine Schar aufgebaut, ein Transparent haltend, das zur Weltpremieren-Fahrt durch die Nordostpassage gratuliert. Als erstes nicht-russisches Passagierschiff bewältigte die HANSEATIC den Seeweg von der Beringstraße in die Barentssee, von Alaska nach Norwegen. Eine Sensation. Und doch: ganz schön ruhig hier.
Am Kreuzfahrtterminal liegt auch die EUROPA, auch sie hat gerade erst hier fest gemacht, wurde “verholt” – so nennt man das, wenn ein Schiff umgeparkt wird – von der Überseebrücke. Da hatte man an Bord des Luxusschiffes die Hamburger Gourmetnacht gefeiert, ein rauschendes Fest mit rund 500 Teilnehmern. So kommt es zu einer der eher seltenen Begegnungen zweier Schiffe von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten in einem Hafen. Die so unterschiedlich zu sein scheinen. Dem einen rieselt quasi noch das Konfetti aus dem nach Parfum duftenden, kleinen Schwarzen, das diesmal aus Motto-Gründen ein kleines Weißes war, dagegen stecken im Expeditionsparka des anderen noch Sandkörner von einem Strand auf den Neusibirischen Inseln und der Duft der Weite. Und doch verbindet die Schiffe viel – beide sind Vorreiter ihrer Branche.
Großer Bahnhof im Hamburger Hafen: Die Passagiere der HANSEATIC blicken auf die Pier, ein Empfangskommitee steht bereit, und der Kapitän der EUROPA, Mark Behrend, eilt herbei – um mehr zu erfahren von der großen Reise
An Bord der HANSEATIC herrscht eine faszinierende Stimmung, eine seltsame Mischung aus Glück und Wehmut, Bedauern und Stolz. Man sieht den Passagieren förmlich an, dass sie sich schwer tun, ihre Kabinen zu verlassen. Rund vier Wochen waren sie auf dem Schiff, haben eine Reise erlebt, die so vor ihnen noch kein Mensch gemacht hat – das ist ein so ungeheuerlicher Satz, dass man ihn eigentlich fett und unterstrichen publizieren müsste, mit vielen Ausrufezeichen versehen –, es war eine Reise, die Passagiere und Crew zusammen geschweißt hat, eine Reise, von der man noch lange, sehr lange zehren wird. Eine Reise, die so profan doch nicht einfach enden darf.
Auch viele Mitglieder der Crew wirken noch ganz “woanders”. Diese Redewendung beschreibt auf sehr schöne Weise, wie man selbstverständlich dazu in der Lage ist, konzentriert und professionell seinen Job zu erledigen, und dass man doch so einen eigentümlichen Glanz im Gesicht hat. Und als wir uns bei denen erkundigen, die in den vergangenen Tagen für den PASSAGEN BLOG über diese Nordostpassage berichtet haben, wie es denn war, da erhalten wir als Antwort oft erst “großartig”, “fantastisch”, “sensationell”. Doch dann kommt eine Pause, ein kurzes Sich-Sammeln, und schließlich winken sie ab: “Es ist alles noch so frisch.” Oder: “Fragt später noch einmal.” Und: “Man kann das nicht so einfach beschreiben…”
Gruppenbild mit Karte: Nicht mehr alle, die als Autoren und Fotografen über die Nordostpassage mit am PASSAGEN BLOG gewirkt haben, sind an Bord. Das Foto zeigt Matthias Mayer, Hajo Spitzenberger, Thilo Natke, Karl J. Pojer, Claas Stanko, Trixi Lange-Hitzbleck – und die rot gepunkteten Positionen der HANSEATIC auf ihrem Weg von der Beringstraße in die Barents-See
Inzwischen hat sich eine größere Runde eingefunden an Bord der HANSEATIC. Mark Behrend, der Kapitän der EUROPA ist gekommen, um den Kollegen Thilo Natke zu beglückwünschen. Karl Pojer, der Vorsitzende der Geschäftsführung von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, gratuliert “seinem” erfolgreichen Kapitän. Er lässt sich von ihm auf der Karte den Kurs zeigen, den das Expeditionsschiff in den vergangenen Wochen genommen hat. Fotos werden gemacht. Dann setzt sich der Geschäftsführer lachend in den Kommando-Sessel, eine sympathische Geste des Respekts. Er blickt hinaus über die glitzernde Elbe und sagt: “Es ist toll, was Sie und Ihr Team geleistet haben.” Man spürt, dass das nicht einfach ein Satz für das Protokoll ist.
Später treffen wir Thilo Natke in seiner Kabine hinter der Brücke. Es ist ein kleines Reich, viele nautische Bücher stehen hier, Karten liegen auf dem Tisch. Schon seit Jahren, so der Kapitän, sei die Nordostpassage ein Thema für die Expeditionsschiffe von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, quasi seit der ersten erfolgreichen Durchfahrung der Nordwestpassage fragte man sich, ob man nicht auch den anderen großen Seeweg angehen solle. Doch erst vor drei Jahren fiel die Entscheidung, den Versuch wirklich zu wagen. Warum es so lange gedauert hat? Der Aufwand ist ungleich größer, schon allein wegen der Sprache. Englisch könne jeder, das mache es leichter mit den Behörden Kanadas zu kommunizieren. Für die Nordostpassage musste alles ins Russische übersetzt werden. Zudem liegen weniger Informationen über das Seegebiet vor. Natke hat die Pilotbooks durchgearbeitet, in denen die Gewässer, Anlandungsmöglichkeiten und wenigen Häfen beschrieben werden, er hat Berichte und Blogs im Internet studiert. Etwa 720 Seekarten haben er und seine Nautiker gekauft, rund 200 haben sie dann tatsächlich verwendet. Nur mal zum Vergleich: Für die etwa gleich-weite Reise von Bremerhaven nach New York brauche man etwa 50 Seekarten…
Nimm uns mit, Kapitän, auf die Reise: Thilo Natke hat seit mehr als 15 Jahren das Kommando über die HANSEATIC, die sich im Hafen von Hamburg auf die nächste Fahrt vorbereitet – rund um England. An Deck erinnern noch die Fotos, die zum Teil auch schon im PASSAGEN BLOG publiziert wurden, an die erfolgreich absolvierte Nordostpassage
Es ist für einen Kapitän ein großes Privileg, eine solche Reise machen zu dürfen. Und jeder, der bei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten das Kommando führt über ein Schiff, wäre gern der erste gewesen auf der Nordostpassage. Thilo Natke ist bereits seit 22 Jahren auf der HANSEATIC und seit 15 Jahren Kapitän des besonderen Expeditionsschiffes. Er ist ein ruhiger, sehr besonnener Mensch, der sich gründlich vorbereitet. Drei Jahre hat er an dieser Fahrt gearbeitet. Nicht durchgängig, Tag für Tag. Aber immer wieder. Und er sagt, dass es für ihn sehr wichtig war, zu wissen, dass er das absolute Vertrauen des Unternehmens hatte. “Noch nie wurde diese Route von einem Schiff befahren. Ich habe immer gesagt, der Weg ist das Ziel, und es kann sein, dass wir umkehren müssen.”
Jetzt liegt die Reise hinter ihm, und er hat einen weiteren Rekord für sein Schiff errungen: So weit nach Norden ist noch kein Kreuzfahrtschiff vorgedrungen. Auf die Frage, was ihn am meisten beeindruckt hat, nennt Kapitän Natke denn auch “Phi Max”, das Erreichen des nördlichsten Punktes bis fast auf 86 Grad nördliche Breite. Besondere Umstände seien dafür verantwortlich gewesen, eine ungewöhnlich große, eisfreie Zone. Dann spricht er von den Kaps, die sie umfahren haben, die eigentlich nur geographische Punkte seien, aber doch einen gewissen Mythos hätten, und das habe man spüren können. Thilo Natke erzählt von den einfachen Siedlungen am Polarkreis, von der Natur und der Weite. Dann macht er eine Pause: “Es sind Tausende von Eindrücken. Was wir gesehen haben, war spektakulär. Es braucht Zeit, all das zu verarbeiten.”
Hapag-Lloyd Kreuzfahrten-Parade: Hintereinander verlassen HANSEATIC und EUROPA den Hamburger Hafen. Gute Reise! Im PASSAGEN BLOG wird die Nordostpassage noch fortleben. Wir haben noch einige kleinere Stücke, die wir bisher nicht zeigen konnten – und die wir in den nächsten Tagen publizieren werden!