Glücksfall für Gourmets: Restaurant Dieter Müller auf MS EUROPA
Glücksfall für Gourmets: das EUROPA-Restaurant Dieter Müller. An rund 70 Tagen im Jahr ist der Chef selbst an Bord. Sein siebengängiges Amuse Bouche-Menü bezaubert mit feinen Ideen und großer Handwerkskunst. Kurz vor seinem 67. Geburtstag treffen wir den Koch zu einem Gespräch über den inneren Antrieb: Woher kommt Ihr Ehrgeiz?
„Wenn ich mir aussuchen könnte, wie ich sterbe, dann am liebsten in der Küche“, sagt Dieter Müller und lacht sein für ihn typisches, sehr vitales Lachen. Wir sitzen in „seinem“ Restaurant auf Deck 4. An Seetagen wird im Restaurant Dieter Müller auf MS EUROPA ein Gourmet-Frühstück serviert, bis 12 Uhr kann man den Blick durch die hohen Fenster auf die See genießen und sich dabei von einer kleinen Etagere der Köstlichkeiten bedienen. Die steht auf dem Tisch, ein delikater Turm mit Marmelade, Käse, Wurst, Fisch. Dazu Müsli, Obstsalat, Croissant, Brötchen, frisch gepresster Saft. Es mangelt einem an nichts auf der EUROPA. Auch nicht zum Frühstück.
Wir haben uns hier mit Dieter Müller zum Interview verabredet. Nachdem wir am Abend zuvor das Glück hatten, einen Tisch zu ergattern in seinem kleinen Restaurant. Es war ein besonderer Abend. Und es ist bemerkenswert, was der Koch, der bis 2009 für sein Restaurant im Schlosshotel Lerbach mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde, auf dem Schiff präsentiert. Denn die Küche auf Deck 3 ist nicht zu vergleichen mit der Einrichtung eines Sterne-Restaurants. Viel enger geht es an Bord zu, und für spontane Rezept-Ideen ist nur wenig Raum, schließlich kann man nicht mal eben den Feinkosthändler des Vertrauens um eine Lieferung bitten. Müller, der berühmt war für sein Amuse Bouche-Menü, hat das Konzept auf das Schiff angepasst. Statt 19 gibt es sieben Gänge. Jeder einzelne davon ein großer Genuss.
Es ist ein Essen der vielen Schälchen, Tapas – oder Mezze – mit Gourmet-Niveau. Zuerst Tomätchen gefüllt mit Jacobsmuschel. Dann Gewürzlachs mit Thunfisch, Avocado und Kaviar. Ein wundervoll zartes Stückchen Steinbuttfilet mit Melonenkugeln und Pfefferzwiebeln. Es gibt Linsen-Tandoori-Suppe mit Wachtelbrust. Und als kühlenden Zwischengang ein Champagnercrèmesorbet. Das Hauptgericht: Rücken und Sauerbraten vom Hirsch mit Rote Bete-Selleriepüree. Und zum Dessert ein Eisparfait von Schokolade und Erdbeere… Nach einer mehr als zweistündigen Genussreise, während der schon fast unerträglich schön die Sonne im Meer verschwindet und uns eine herzerfrischend wohl gelaunte Kellnerin mit den passenden Weinen zu jedem Gang entzückt, kommen wir wieder an im Hier und Jetzt und stellen fest, was das Besondere am Essen von Dieter Müller ist: dass man schlemmt, ohne voll zu sein. Der Espresso kommt, danach erhebt man sich beschwingt, gefühlt nicht um ein paar Kilos, sondern vor allem um ein kulinarisches Erlebnis reicher.
Danach haben wir uns verabredet – auf ein Gespräch über das Leben, das Streben. Warum man auch im Alter nicht aufhört, das Besondere zu suchen, sich Herausforderungen zu stellen. Und seien es die eigenen. Ein Gespräch, das kurz vor dem 67. Geburtstag Dieter Müllers eine besondere Note hat. Denn dieser hervorragende Koch, dessen Lebenswerk bereits Lexikon-Einträge füllt, bei dem junge Köche sich gern als Praktikanten verdingen, hat es doch eigentlich gar nicht mehr nötig, woanders zu kochen als in der luxuriös ausgestatteten Küche seines Alterswohnsitzes. Und tut es dennoch. Kann es mehr Leidenschaft geben für das eigene Tun? Deshalb geht es im eingangs zitierten Satz gar nicht um das Lebensende, sondern um die Lebenslust. Dieser Kerl, der da vor uns sitzt, erstaunlich drahtig und vital für sein Alter, der liebt so sehr was er tut, dass er sich kein schöneres Ende vorstellen könnte, als am Herd umzufallen. Vielleicht sollte man die Definition des Begriffs Beruf dahingehend neu fassen…
Viele Urkunden schmücken die Vita Dieter Müllers. Gemeinsam mit dem Koch versuchen wir zu ergründen, woher sein Ehrgeiz kommt. Er schloss seine Ausbildung mit Auszeichnung ab, trat als Koch den Wehrdienst an und erhielt da das Prädikat für die beste Bundeswehrküche. An zwei Wettbewerben nahm Müller teil und gewann beide. „Ich wollte immer der beste sein.“ Statt mit anderen zu feiern, half der junge Müller in Patisserie aus. Es zahlt sich aus: Müller, inzwischen Koch im Restaurant seines Bruders, erhält 1974 – im Alter von 25 Jahren – den ersten Michelin-Stern. Er veröffentlicht sein erstes Kochbuch, arbeitet in Japan, Frankreich, Australien, Thailand, wird mehrfach als „Koch des Jahres“ ausgezeichnet. Seit 1992 ist er Patron des Restaurants „Dieter Müller“ im Schlosshotel Lenbach, 1997 erhält er den dritten Michelin-Stern. Im Herbst 2010 eröffnete Müller sein Restaurant auf der EUROPA.
Der Grund für seinen Ehrgeiz? Müller lächelt vorsichtig. Vielleicht, so seine Erklärung, weil ich kein sehr großer Mann bin, und mich immer behaupten wollte. Vielleicht aber auch, weil er immer neugierig blieb. Dieter Müller ist ein Mensch, der sich nie zufrieden gibt. Es ist sein Koch-Stil, klassische Gerichte zu hinterfragen und neu aufzufrischen. Hier, auf der EUROPA, so Müller, würde er nie „Experimente am Gast“ machen. Diese Küchen-Latein-Formulierung beschreibt seine Küche der behutsamen Erneuerung. Aber passt sie auch zu einem Koch, der Sauerbraten vom Hirschrücken kocht?
Fast eine Stunde nimmt sich Dieter Müller Zeit für uns. Er erzählt von seinen drei Kindern, und dass sein Sohn Vegetarier ist. Und er berichtet von seiner Frau, die sein Leben überhaupt erst möglich macht. Hat die sich nicht gefreut auf einen gemeinsamen Lebensabend? Ach, lächelt Müller sein für ihn typisches Lächeln, meine Frau ist meine Managerin. Die Herrin über seinen Terminplan. Und sie weiß, was ihr Mann braucht, um glücklich zu sein im Hier und Jetzt. Rund zwei Drittel des Jahres ist Dieter Müller auf Reisen, allein 70 Tage davon an Bord der EUROPA. Er liebt dieses Leben, liebt es an Bord zu sein. Ein Glücksfall für Gourmets.