HANSEATIC nature – Sea Trial. Interview mit Kapitän Thilo Natke zu den Werftprobefahrten

Beim Sea Trial muss ein Schiff unter Beweis stellen, dass es alltagstauglich ist: Manövrierfähigkeit und Geschwindigkeit, Maschine und Notfallsysteme werden getestet. Interview mit Kapitän Thilo Natke zum Abschluss der Werftprobefahrten der HANSEATIC nature

Datum: 23.04.2019
Tags: #hanseaticnature

Hapag-Lloyd Cruises Blog: Lieber Kapitän Thilo Natke, nun hat die HANSEATIC nature ihre Testfahrten absolviert. Was ist ein Sea Trial?

Kapitän Thilo Natke: Sea Trial ist der englische Fachbegriff für Werfterprobungsfahrt. Dieser Begriff sagt schon viel aus, denn auf dieser mehrtägigen Fahrt wird das Schiff auf Herz und Nieren geprüft. Es geht in erster Linie darum zu bestätigen, dass die im Bauvertag von der Werft zugesicherten Eigenschaften auch in der Realität zutreffen. Das betrifft zum Beispiel Geschwindigkeit, Manövrierverhalten und Treibstoffverbrauch. Es werden zahllose Messdaten aufgenommen, und die Maschinen werden auf das Äußerste beansprucht.

Außerdem werden in Gegenwart der „Klasse“ – kurz für Klassifikationsgesellschaft – zahlreiche Versuche gefahren und Aggregate im praktischen Betrieb vorgestellt. Erst danach erfolgt die offizielle Abnahme der einzelnen Komponenten durch Unterschrift des Eigners, bzw. seiner Vertreter an Bord. Natürlich werden auch die Sicherheitseinrichtungen eingehend geprüft.

Hat das erste Schiff der neuen Expeditionsklasse die Tests bestanden?

Um es kurz zu machen: Die HANSEATIC nature hat sich auf diesen Probefahrten als solides, sicheres und ökonomisches Expeditionsschiff gezeigt. Alle Systeme arbeiten einwandfrei, die Höchstgeschwindigkeit wurde erzielt und die Verbräuche liegen im vereinbarten Rahmen. Besonders auffallend ist die Geräusch- und Vibrationsarmut, die unseren Passagieren künftig ein komfortables Reisen ermöglicht. Ich bin sicher, dass daher in Kürze das Klassenzertifikat erteilt und das Schiff an seinen künftigen Eigner, Hapag-Lloyd Cruises, übergeben werden kann.

In einem Interview sagten Sie, dass Sie sich besonders auf die hohe Manövrierfähigkeit des Schiffes freuen. Haben sich Ihre Erwartungshaltungen bestätigt?

Auf Expeditionsreisen kommt es in erster Linie darauf an, dass man mit dem Schiff in engen Fjorden und entlang windungsreicher Flüsse navigieren kann. Denn wo wir hinfahren, stehen meist keine Schlepper zur Verfügung. Und für das Fahren im Packeis braucht man kleine Kurvenradien. Das ermöglicht die HANSEATIC nature durch geringe Schiffsabmessungen sowie moderne Manövriereinrichtungen, zum Beispiel durch ein starkes Bugstrahlruder und ein modernes Hochleistungsruder mit einem Ruderwinkel bis zu 65 Grad.


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Welche Rolle hat das Wetter gespielt? 

Auf der dreitägigen Probefahrt in den Fjorden Norwegens vor der „Haustür“ der Bauwerft hatten wir durchgehend bestes Wetter, nur Sonnenschein und fast keinen Wind, allerdings war es mit knapp über null Grad doch etwas frisch. Ideal, um die Manövrierversuche durchzuführen, aber „leider“ fehlten ein bisschen Wind und Wellen, um das Seegangsverhalten des Schiffes zu testen. 

Wird ein Schiff bei einem Sea Trial auch in Situationen gebracht, die man einem Gast an Bord niemals wünschen würde?

Auf einem Sea Trial werden auch extreme Manöver gefahren. Dazu gehören die „Vollbremsung“ – das so genannte Crash-stop-Manöver – sowie Drehkreise in voller Fahrt mit Hartruderlage. Dabei krängt das Schiff erheblich, und die Kaffeetassen würden von den Tischen rutschen. Im späteren Betrieb des Schiffes rechtfertigen nur Notsituationen derartige Manöver. Auch ein Blackout-Test, bei dem ein vollständiger Stromausfall absichtlich herbeigeführt wird, gehört zum Testprogramm. Alle Ergebnisse werden dokumentiert und ausgewertet.

Einst stand auch die Geschwindigkeit eines Schiffs im Vordergrund. Im Wettrennen um das Blaue Band rasten die Ocean Liner von Europa nach Amerika. Was müssen die Maschinen eines modernen Kreuzfahrtschiffes heute können?

Als Schiffstreibstoff noch billig war, konnte man sich hohe Geschwindigkeiten leisten. Und der Kampf um das Blaue Band war früher letztlich auch eine Prestigefrage. Heute steht eine hohe Geschwindigkeit nicht mehr im Mittelpunkt, sondern eher ökonomisches Fahren und Umweltschutzaspekte. Für ein Expeditionsschiff ist schnelles Ankommen ohnehin eher nebensächlich, da zählen die Erlebnisse entlang des Kurses.

Wie schnell ist die HANSEATIC nature?

Die erzielte Höchstgeschwindigkeit lag auf der Probefahrt bei gut 18 Knoten, das ist sogar etwas mehr als die vereinbarte Vertragsgeschwindigkeit.

In der Geschichte der Sea Trials haben diese immer wieder Anpassungen nötig gemacht. Sind solche auch für die HANSEATIC nature erforderlich?

Sobald ein Schiff auf Probefahrt ist, ist es bereits weitgehend fertiggestellt und wesentliche Änderungen an der „Hardware“ sind nicht mehr möglich. Einstellarbeiten an Maschine und nautischen Geräten natürlich ausgenommen. Aus den Ergebnissen einer Probefahrt kann man auch Schlüsse für die Entwicklung neuer Schiffe ziehen und diese möglicherweise noch optimieren. Für die Entwicklung der HANSEATIC nature waren eher die Erfahrungen aus dem langjährigen Betrieb von HANSEATIC und BREMEN entscheidend. Und die haben sich bewährt.

HANSEATIC nature, HANSEATIC inspiration und HASEATIC spirit sind Schiffe einer neuen Expeditionsklasse. Ihr Fazit nach der Werfterprobungsfahrt?

Fast jedes Schiff ist ein Unikat und wird nach den Anforderungen der Rederei gebaut. Erst im Wasser und auf dem Sea Trial, kurz vor der offiziellen Ablieferung, zeigt sich, ob die hohen Erwartungen erfüllt worden sind. Der Sea Trial wird noch in der Verantwortung der Werft und mit deren Personal durchgeführt, sie stellt auch den Werftkapitän. Die spätere Besatzung hat aber Gelegenheit, sich schon einmal mit den Eigenschaften „ihres“ neuen Schiffes vertraut zu machen. Sofern man das nach drei Tagen Probefahrt sagen kann, haben sich unsere Erwartungen an „die neue Expeditionsklasse“ voll erfüllt. Wie sich das Schiff im Eis verhält, muss die Crew dann allerdings auf den ersten Arktisreisen selbst herausfinden, denn in den norwegischen Fjorden gibt es kein Eis. Auch alles Weitere wird sich im späteren Betrieb zeigen, wenn Schiff, Passagiere und Crew sich aneinander gewöhnt haben...

Fotos: Archiv

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