„Hier wollte ich seit sieben Jahren hin – auf dieses Schiff.“ Die Künstlerin Pola Brändle an Bord der EUROPA 2
Sie führt fort, was die Affichisten vor mehr als 60 Jahren begonnen haben. Die Collagen und Decollagen der Berlinerin Pola Brändle wurden in internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt. Wir treffen die Künstlerin in der Galerie auf Deck 9 der EUROPA 2
Liebe Pola Brändle, wie ist es eigentlich für eine Künstlerin, die ihr Material im Spannungsfeld der Straße findet, sechs Wochen an Bord der EUROPA 2 zu arbeiten?
Pola Brändle: Das Schiffsleben könnte nicht unterschiedlicher zu meinem Alltag in Berlin sein. Ich lerne viele der anderen Künstler an Bord kennen – Musiker, Schauspieler, Lektoren. Nach den anderthalb Jahren, in denen pandemiebedingt wenig Kultur stattgefunden hat, tut es gut wieder diesen Austausch zu haben. Und natürlich genieße ich die besondere Atmosphäre an Bord der EUROPA 2.
Wie bereitet man sich auf eine intensive sechswöchige Reise vor, bei der man eigene Werke zeigt, Workshops und Führungen anbietet?
Drei Monate bevor es aufs Schiff geht, fange ich mit den Vorbereitungen an. Ich denke über die Bilder nach, die ich ausstellen möchte. Manchmal fertige ich für eine Reise sogar neue an. Weil die Zoll-Formalitäten sehr aufwändig sind – jedes Bild muss vermessen und gewogen werden und eine eigene Zollnummer haben – hat alles sehr früh fertig zu sein. Änderungen sind nicht mehr möglich. Dann werden die Kunstwerke in feuerfeste Alu-Boxen verpackt und stehen für die Spedition bereit.
„Während der Pandemie ist mir aufgefallen, dass vor allem bunte Bilder begehrt sind. Die Menschen sehnen sich nach Farbe – und Lebendigkeit.“
An Bord haben unsere Gäste die exklusive Gelegenheit, an einem Collage-Workshop mit der Künstlerin teilzunehmen?
Pro Reise biete ich einen Workshop an, bei großer Nachfrage auch zwei. Dafür habe ich im Vorfeld aus Zeitschriften viele interessante Bilder ausgeschnitten. Diese werden dann ausgebreitet, und ich bringe den Gästen die Collage-Technik näher. Mein Workshop trägt den Titel „Von Schichten, die Geschichten erzählen“.
Übrigens: Auch das bedarf einer gründlichen Vorbereitung. Wie viele Scheren, Kleber, Werkzeug, Schrauben etc. sollen mit? Diese Dinge kommen in mein normales Gepäck. Dazu die Kataloge mit meinen Arbeiten, Postkarten, Visitenkarten. Und das Papier und die Pappe, auf die die Collagen aufgeklebt werden. Ich habe allein 15 Kilogramm an Papier im Gepäck.
Was unterscheidet eine Ausstellung an Land von einer an Bord?
Während der Pandemie ist mir aufgefallen, dass vor allem bunte Bilder begehrt sind. Die Menschen sehnen sich nach Farben und Leben. Und ich möchte, dass man in meine Ausstellung kommt, glücklich ist und denkt: schön!
Wenn ich eine Ausstellung konzipiere – egal ob an Land oder an Bord – dann ist vor allem wichtig, dass sie mir gefällt. Die Galerie auf der EUROPA2 ist an sich ein eher ruhiger und besinnlicher Raum, der mit seinen bodentiefen Fenstern mit Meerblick aber richtig Power hat.
Woher kommt die Leidenschaft der Pola Brändle für die Kunst?
Mit sechs Jahren wusste ich schon, dass ich Künstlerin werde. Mit zehn Jahren habe ich das Gymnasium danach ausgewählt, wo ein Kunst-Leistungskurs angeboten wird. Nach dem Abi habe ich an der „Akademie Beeldende Kunsten“ in Maastricht studiert und meinen Abschluss gemacht. Ich habe als Grafikdesignerin und Artistin gearbeitet, war aber nebenbei immer Künstlerin. 2008 entschied ich, mich ganz auf die Kunst zu konzentrieren. Es ist mein Traum – zu tun, was ich liebe und damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Wie würden Sie Ihre Kunst beschreiben?
Als sehr urban und immer dem Zeitgeist entsprechend. Ich setze den Stil der Affichisten fort, sammle für meine Collagen Plakate. Diese zeigen, was die Menschen bewegt: Theaterstücke, Musikfestivals oder irgendwelche Demos. Ich verarbeite nicht nur Plakate aus meiner direkten Umgebung, auch von meinen Reisen.
Begleiten Sie die Berliner Künstlerin Pola Brändle durch die Galerie der EUROPA 2
Welche Bedeutung hat das Reisen?
Es ist für mich eine große Inspiration. So zeigen die Plakate, die ich von unterwegs mitbringe, immer eine andere Welt. Das begeistert mich. Vielleicht bin ich auch deshalb ständig unterwegs, bis zu sechs Monate in einem Jahr. Auf Reisen kann ich netzwerken, habe interessante Begegnungen, verlasse meine Komfort-Zone. So lernt man mitunter Menschen kennen, die sogar aus der gleichen Stadt kommen, aber eine andere Position haben oder in einem anderen Viertel leben, zu Hause hätte man sich nie getroffen. Das erlebe ich auch hier in der Galerie.
Wie kam es zu dieser Reise mit der EUROPA 2?
Dass ich auf dieses Schiff gekommen bin, daran habe ich – rückblickend – sieben Jahre gearbeitet. Ich bin früher als Artistin auf englischen Kreuzfahrtschiffen mit meinem Partner und unserer gemeinsamen Jonglage-Show aufgetreten. Ich habe das geliebt. Dann erfuhr ich, dass es dieses Schiff gibt mit einer Galerie und fast 900 Originalkunstwerken. Da habe ich mir gesagt: Da will ich hin. Und jetzt, sieben Jahre später, darf ich auf der EUROPA 2 meine Kunst ausstellen.
Haben Sie ein Lieblingsreiseziel?
Ich mag Spanien, habe zwei Jahre auf Mallorca gelebt. Und ich liebe Portugal, Lissabon hat eine tolle Plakat- und Streetart-Szene. Allerdings fliege ich nicht gerne. Ich habe einen Bus, mit dem ich durch Europa fahre in meinem eigenen Tempo. Und dann halte ich dort, wo es mir gefällt, und genieße die Natur.
„Meine Leidenschaften sind Kunst, Reisen, Essen, Menschen und Natur – all das erlebe ich gebündelt auf diesem einmaligen Schiff.“
Was zeichnet die EUROPA 2 aus?
Hier ist es nicht so steif wie auf englischen Luxus-Schiffen. Der Service ist unglaublich, nicht gespielt freundlich, sondern echt, von Herzen. Und das Essen ist der Wahnsinn. Meine Leidenschaften sind Kunst, Reisen, Essen, Menschen und Natur – all das erlebe ich auf diesem einmaligen Schiff.
Haben Sie einen Lieblingsplatz an Bord?
Das Belvedere auf Deck 9 mag ich gern, weil man da diesen tollen Blick hat und Piano-Live-Musik gespielt wird. Dort trinke ich meinen Kaffee, stöbere in einem der vielen Bildbände. Mein zweitliebster Ort ist die Galerie. Ein Traum! Wo hat man sonst bodentiefe Fenster mit Meerblick hinter der Kunst? Zudem ist es ein super angenehmer Raum mit besonderer Atmosphäre.
Interview: Joanna Kouzina; Fotos: Jil Ziegner, Archiv; Video: Joanna Kouzina
Weitere Informationen zur Künstlerin auf der Website von Pola Brändle und ihrem Instagram-Account.