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Man sagt so lapidar, es gebe zwei Mentalitäten: Die einen sehen ein zur Hälfte mit Wasser gefülltes Glas und sagen, es sei halb leer. Die anderen halten es für halb voll. Doch unter letzteren gibt es noch die Vertreter einer weiteren, allerdings recht exotischen Gruppe mit einer extrem positiven Weltsicht: Sie sehen quasi im halb vollen Glas das erste Wasser für ihren Pool.
Daniela und Lars Hinrichs verfügen über eine riesige Baustelle. Hier entsteht das Apartimentum, ein Mietshaus, das das Konzept Mietshaus nicht nur verändern, sondern revolutionieren soll (dazu später mehr). Die Baustelle erstreckt sich über einen halben Wohnblock im Hamburger Stadtteil Rotherbaum. Inzwischen ist der Rohbau fertig, Installationen werden vorgenommen, die letzten Fenster eingebaut, Zwischenwände gezogen. Man bekommt schon eine ganz gute Vorstellung davon, was hier hinter der historisch belassenen, aber komplett entkernten Gründerzeit-Fassade entsteht. Aber noch – und in diesem Fall sollte es eigentlich ganz egal sein, zu welcher der oben beschriebenen Mentalität man sich zählt – ist es vor allem: eine Baustelle.
Doch die Hinrichs sehen darin mehr: Entspricht die Grundfläche des Rohbaus im Erdgeschoss nicht in etwa der des renommierten Hauses der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen? Vertritt Daniela Hinrichs mit ihrer Galerie „Dear Photography“ nicht einige der interessantesten Foto-Künstler der Gegenwart? Und was spricht dagegen, statt zum Richtfest zur Vernissage auf die Baustelle zu laden?
Es ist herausfordernd, Zusammenhänge neu zu denken. Doch wenn man es konsequent und nachvollziehbar tut, dann reihen sich vielfach andere ein, die schon lange darauf gewartet zu haben scheinen, dass mal jemand das Vertraute in Frage stellt. Und so haben sich Sponsoren eingefunden, um Food und Drinks zur Verfügung zu stellen. Hersteller von Automobilmarken und Unterhaltungselektronik präsentieren ihre Produkte. So viele Menschen wollten an der Veranstaltung teilnehmen, dass Einladungen ausgesprochen werden mussten, die Medien berichteten. Das Richtfest wurde zum – es gibt kein besseres Wort dafür – Event.
Jetzt sitzen Daniela und Lars Hinrichs an einem langen Tisch zwischen vielen Stühlen. Umgeben von Wänden aus nacktem Beton. Rohre und Leitungen noch unverputzt. Beide tragen Schwarz. Und er zeigt ihr etwas auf seinem weißen iPhone. Lachen. Die beiden sind bester Dinge. Trotz der vielen Arbeit, die sich hier auftut. Trotz der Entscheidungen, die ständig zu treffen sind. Es ist ein großes Projekt, ein visionäres.
Lars Hinrichs kennt sich aus damit. Er entstammt einer Unternehmer-Familie und gilt selbst als einer der Vorzeige-Firmengründer in IT-Deutschland. Durch das von ihm aufgebaute Unternehmen Xing wurde er zum Multi-Millionär. Und mit dem Apartimentum macht er sich zum visionären Vermieter. Denn das Haus wird am Ende ausgestattet sein mit allerlei High Tech: Die Garage, Haus- und Wohnungstür öffnen sich per Smartphone, Raumtemperatur und Kühlschrankinhalt lassen sich per App kontrollieren, auch Küche und Bad, Fernseher und Licht werden so gesteuert. Das Apartimentum wird der Prototyp eines Smart Homes.
Und ein wunderbar inspirierender Ort. Schon jetzt macht es Spaß durch die noch nackten Räume zu gehen, in denen großformatige Fotografien hängen. Daniela Hinrichs hat einen guten Blick, sie macht Betonwände zu Präsentationsflächen, nutzt die Überraschungsmomente von Raumfluchten. Die Bilder, die sie zeigt, haben sich keinem Hübschigkeitsanspruch verschrieben, hier agiert keine Makler-Gattin, die mit ihrer Kunst dazu beitragen will, dass ihr Mann noch mehr Wohnungen verkauft. Daniela Hinrichs ist eine angesehene Galeristin, die ausschließlich fotografische Arbeiten zeigt – und eine besondere Beziehung zur EUROPA 2 hat.
Im Oktober 2014 ist sie erstmals mit 25 Werken an Bord des Schiffes gegangen, um sie in den Räumlichkeiten der Galerie auf Deck 9 zu präsentieren. Auf ihrer Website schildert Hinrichs die Vorbereitungen, und man kann den Zeilen deutlich entnehmen, dass sie sich aufrichtig auf die Reise gefreut hat. Jetzt, ein halbes Jahr später, sagt sie, dass das Schiff für sie eine „Offenbarung“ gewesen sei. Die Atmosphäre, der Stil, das Essen… Daniela Hinrichs gerät ins Schwärmen. Im Frühjahr diesen Jahres wird sie erneut an Bord sein. Ob sie schon wisse, welche Werke sie präsentiert? Der Auswahlprozess läuft noch (wir werden im E2MAG berichten). Beim Gang über die Baustelle sind einige großartige Arbeiten zu sehen, mal spielerisch, mal irritierend, mal verstörend – wie die Bilder der Alten, die auf den ersten Blick Männer zu sein scheinen, es handelt sich aber um albanische Frauen, die sich als solche verkleiden.
Inzwischen sind Daniela und Lars Hinrichs über den Balkon eines Duplex-Apartments auf das Dach geklettert. Was ein Blick! Alster, Fernsehturm, gefühlt alle Kirchen der Stadt, die Elbphilharmonie. Wer wird hier wohnen? Manager und Top-Arbeitskräfte, die auf Zeit in Hamburg sind. Man kann im Apartimentum keine Wohnungen kaufen. Wie hoch werden die Preise dafür sein, hier zu leben? Es wird eine Flatrate geben, in der alle Kosten enthalten sind, auch Energie, Internet, Telefon, 2.000 bis 9.500 Euro monatlich, je nach Kubikmeterzahl. Kubikmeter? Ja, wahre Lebensqualität bemesse sich nicht in Fläche, sondern in Raum. Hinrichs denkt sogar das Modell Miete neu.
Ein Schiff segelt über die Alster, ein Helikopter flattert durch den strahlend blauen Himmel. Frühling in Hamburg. Und ein Tag, an dem man verstehen kann, warum manche die Stadt „meine Perle“ nennen. Auch das zeugt von Optimismus in einer Region, die in Deutschland bei den Regentagen zu den Top 20 gehört. Ach, und da fällt uns eine Frage ein: Wird es im Apartimentum eigentlich einen Pool geben?
Hier der Link zur Reise von Hamburg nach Lissabon, bei der Daniela Hinrichs mit Arbeiten einiger, der von ihrer Galerie Dear-Photography vertretenen Künstler an Bord sein wird.