„Ich freue mich auf jeden Hafen, den das Schiff anläuft.“ Mit der HANSEATIC nature nach Japan
Wenn die HANSEATIC nature im Mai 2023 in mehreren Reisen Japan anläuft, wird an Bord die Kulturwissenschaftlerin und Autorin Antje Papist-Matsuo in die einzigartige Natur und Kultur des Landes einführen. Im Interview wollten wir von ihr wissen, warum Japan so besonders ist – und was es auf sich hat mit dessen „Streben nach Vollkommenheit“?
Liebe Antje Papist-Matsuo, im Mai 2023 werden Sie anderthalb Monate an Bord der HANSEATIC nature sein und als Expertin die Reisen nach Japan begleiten. Was war der Auslöser für Ihre Begeisterung für das Land?
Antje Papist-Matsuo: Asien hat mich seit meiner Kindheit interessiert. Die Faszination ging damals über die Optik, die Fotos, die ich in Büchern und Magazinen sah. Es waren die Farben von Indien, die Schriftzeichen von China, die unglaubliche Schönheit der Natur, auch die Andersartigkeit der Menschen dort, die mich berührt haben und eine tiefe Sehnsucht auslösten. Ich wollte unbedingt dorthin. Im Laufe meines Studiums der Ostasiatischen Kunstgeschichte in Köln habe ich zunehmend Japan für mich entdeckt. Dieses kleine Land wurde somit immer größer und bedeutsamer für mich.
Sie haben sich auf die Kultur und die Kunstgeschichte Japans spezialisiert und werden als Expertin vielfach zu diesem Thema befragt. Worin besteht der wesentliche Unterschied im Kunstbegriff Japans und der westlichen Welt?
In Japan gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert einen westlich inspirierten Begriff der „Kunst“ (bijutsu). Traditionellerweise trennte man Kunstgattungen wie Architektur, Malerei, Bildhauerei und auch Lackkunst weniger voneinander als es im Westen üblich war. Damit geht ein überaus hohes Ansehen des Kunsthandwerks einher. Viele Künstler schufen beispielsweise sowohl Gemälde als auch Entwürfe für Holzschnitte oder Textilien. Dabei wird in Ostasien der Kopie, bzw. Nachahmung von Kunstwerken eine hohe Bedeutung zugeschrieben. Dahinter steckt die Idee, dass man erst die klassischen Meister bis ins Kleinste beherrschen sollte, bevor man einen individuellen Stil entwickelt.
Eines der Bücher, an dem Sie mitgearbeitet haben, trägt den Titel: „Das Streben nach Vollkommenheit…“ Können Sie beschreiben, in welcher Hinsicht dieses Streben ein prägender Aspekt der japanischen Alltagskultur ist?
Es äußert sich in vielen Aspekten und ist für mich vor allem „die große Kunst der kleinen Dinge“. Auch Unscheinbarem wird viel Aufmerksamkeit gegeben, ob beim Handwerk oder im alltäglichen Kochen. Immer äußert sich das in der großen Sorgfalt, die man den einzelnen Herstellungsschritten widmet. Sicherlich spielt auch die schintoistische Vorstellung von der Beseeltheit der Natur eine Rolle, wenn der Herstellung von Reis oder Sake oder der Verarbeitung von Naturmaterialien wie Holz eine fast spirituelle Aufmerksamkeit gegeben wird.
Wenn sich die HANSEATIC nature auf Entdeckungsreisen rund um Japan begibt, stehen erst die Küsten des weniger dicht besiedelten Westens im Fokus, dann der Osten der Hauptinsel mit den Metropolen und den vorgelagerten Archipelen. Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen den Regionen?
Grundsätzlich besitzt Japan im Südwesten einen stärker maritimen Charakter, während der Nordosten mehr kontinental bestimmt wird. Bei einer Längenausdehnung von rund 3.000 Kilometern kommt es dabei zu erheblichen Temperaturunterschieden. Werden etwa in Okinawa im Januar 10 bis 18 Grad Celsius gemessen, sind es in Hokkaido -4 Grad und in Tokio erstaunlicherweise 5 Grad. Dabei liegt die Hauptstadt viel näher an Hokkaido als an Okinawa. Grund dafür sind die kalten und warmen Meeresströmungen. Man kann im gleichen Land im Oktober schon die ersten Schneestürme erleben, während auf Kyushu nach der zweiten Ernte die Reisbüschel in der Sonne trocknen.
Der Sommermonsun wird als Wohltat empfunden, weil er vom Ostchinesischen Meer her der pazifischen Vorderseite Japans (Omote Nippon) warmen Regen bringt. Der Wintermonsun hingegen kommt über das Japanische Meer und bringt der Russland und China zugewandten Rückseite Japans (Ura Nippon) Kälte und Schnee. Bis in das 19. Jahrhundert hinein wurden die Bewohner des Nordens „Barbaren“ genannt. Noch heute spielt sich das wirtschaftliche, politische und kulturelle Leben weitgehend auf der pazifischen Seite der Hauptinsel Honshu ab. Hier befinden sich der Hauptschrein der Sonnengöttin Amaterasu, die alten Kaiserstädte Nara und Kyoto, sowie die Wirtschaftsmetropolen Nagoya, Osaka, Kobe, Hiroshima, Fukuoka und Tokio.
Was können Sie zu den Highlights dieser Reisen sagen? Beginnen wir mit NAT2308 und NAT2330.
Bei diesen Reisen reihen sich die Höhepunkte wie Perlen aneinander. Sicherlich wird das Erleben der weit auseinanderliegenden und sehr unterschiedlichen Natur- und Lebensräume sehr eindrücklich sein. Ich freue mich auf Busan, das die enge historische und kulturelle Verbindung zwischen Korea und Japan aufzeigt. Weitere Highlights sind die großartigen Landschaften von Kyushu, vor allem die pittoresken Küsten bei Karatsu und die heißen Quellen von Beppu. Der Besuch des uralten Schinto-Heiligtums Itsukushima auf der Insel Miyajima vor der Hauptinsel Honshu wird unvergessen bleiben. Und natürlich ist die Reise in den Norden und auf die Rückseite Japans bis nach Hokkaido wirklich einmalig. Kultur und Naturschönheit gehen hier Hand in Hand: Kanazawa muss man gesehen haben, ebenso den bedeutenden Fischereihafen Hakodate an der südlichen Inselspitze von Hokkaido – mit seiner üppigen Vielfalt an Fischen und Meerestieren, die es nur hier gibt.
Worauf dürfen sich die Gäste der dritten Reise – NAT2331 – freuen, wenn es von Seoul über Tokio nach Otaru geht?
Bei dieser Reise wechseln sich geruhsamer Lebensrhythmus in atemberaubend schönen Naturlandschaften ab mit pulsierenden Großstädten, die Moderne und Tradition verbinden. Ganz sicher ist die Reise hin zu den Nansei-Inseln mit den uralten Zedern auf Yakushima ein Highlight! Aber auch das einzigartige, exotische Ökosystem der entlegenen Ogasawara-Inseln mit seinen seltenen heimischen Pflanzen und Tieren ist eine Besonderheit. Wann kommt man dort schon einmal hin?
Geisha und Samurai, Tenno und Yakuza – über die japanische Gesellschaft gibt es viele Klischees. Welches Buch würden Sie unseren Gästen als Vorbereitung für diese Reise empfehlen?
Ich erlaube mir, auch das Buch zu empfehlen, für das ich viele Texte verfasst habe. Es informiert wirklich umfassend und mit wunderschönen Fotografien über Regionen, Materialien und das lebendige Kunsthandwerk in Japan: „Das Streben nach Vollkommenheit. Japanisches Handwerk zwischen Tradition und Moderne“, herausgegeben von Irwin Wong, ist im Gestalten Verlag erschienen.
Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Auf welche Momente freuen Sie sich ganz besonders?
Ich freue mich auf jeden Hafen, den wir anlaufen werden, auf den steten Wechsel von Meer zu Land, die Aussichten vom Schiff aus auf die Küsten und Inseln, die Aussichten vom Land aus auf die See. Ich freue mich auf die unglaublich schönen Landschaften, auf die uralten Tempel und Schreine, auf die pulsierenden Großstädte und die wunderbare Architektur. Und natürlich freue ich mich auf die Momente, in denen ich das japanische Essen genießen darf.
Fotos: Archiv, Interview: Dirk Lehmann