„Ich muss nicht mehr in den Himmel, denn ich war in Paradise Bay.“ Marianne Elsner über ihre Antarktis-Reise mit der HANSEATIC inspiration

Dies ist keine Reisebeschreibung, sondern eher eine Erzählung. Ich wollte niederschreiben, wie es mir auf dieser „unglaublichen Reise“ ergangen ist. Der Text, so fürchte ich, ist etwas zu lang geraten. Aber es ist die Begeisterung, die mich treibt… Teil 2: Von der Petermann Insel nach Frankfurt.

Datum: 05.03.2021
Tags: #hanseaticinspiration #antarktis

Ein besonderes Jahr – und eine Saison, in der wir keine Reisen in die Antarktis durchführen konnten. Grund genug für einen Blick zurück: Da es uns nicht vergönnt war, die Schönheit dieser Welt am Ende der Welt zu erleben, begleiten wir Marianne Elsner. Sie hat den Jahreswechsel 2019/2020 an Bord der HANSEATIC inspiration verbracht. Ihr zweiteiliger Bericht über diese Reise in die Antarktis zeigt, warum wir uns darauf freuen, so bald wie möglich wieder ab Ushuaia aufzubrechen.

25. Dezember 2019. Seetag

Passage der Konvergenz-Zone. Hier treffen kaltes Oberflächenwasser der Antarktis auf wärmeres Oberflächenwasser aus dem Norden der gemäßigten Zonen. Es ist die Nordgrenze des Südlichen Ozeans. Im Wasser gibt es einen Temperatursturz von 8 Grad auf -2 Grad. In dieser Zone liegen verstreut Inseln und Inselgruppen. Der antarktische Kontinent ist mit 13,2 Millionen Quadratkilometers deutlich größer als Europa. Die exakte Fläche des Festlands ist nicht bekannt, da große Teile von Eis bedeckt sind. Rund 90 Prozent des irdischen Eises sind in der bis zu 4.500 Meter dicken Eisdecke der Antarktis enthalten. Im Winter wächst die Eisfläche auf 30 Millionen Quadratkilometer an. Dann ist die Antarktis mehr als doppelt so groß wie Europa. Es ist ein Kontinent ohne Einwohner. Mir wurde klar, welche Gunst des Schicksals es bedeutete, dieses beispiellose und unberührte Gebiet kennenlernen zu dürfen.

26. Dezember 2019. Süd-Orkney -Inseln

Mit den Zodiacs fuhren wir zu einer Forschungsstation in der Scotia Bay. 1903 wurde hier eine vier mal vier Meter messende Steinhütte errichtet, die viele Jahre als Unterkunft diente. Der Standort ist der älteste in der Antarktis. Aktuell stehen hier elf Gebäude für bis zu 45 Personen. Ein äußerst interessanter Ort. Die Station wirkte sehr komfortabel. Später besuchten wir noch einen nahen, kleinen Friedhof. Im Sichtbereich ein gewaltiger Gletscher. Unwillkürlich fragte ich mich, wie einsam und kalt die Winter hier sein müssen.

27. Dezember 2019. Seetag

Das Weddellmeer ist mit 2,8 Millionen Quadratkilometern das größte der 14 Randmeere des antarktischen Kontinents. Seine Erforschung kostete unzählige Menschen das Leben. Wir sahen Buckel-, Finn- und Schwertwale. Zudem passierten wir Eisberge in den skurrilsten Formen. Das Smartphone glühte. Einen großen Teil meiner Videos nahm ich von meinem Balkon auf, denn irgendwann konnte ich gar nicht mehr so schnell auf das Oberdeck laufen, wie die Landschaft überraschte. Das Ereignis des Tages war: A 68. Der größte Eisberg weltweit – mit einer Länge von 133 Kilometern. Mit dem Fernglas, das zur Kabine gehörte, konnte man sich das Welt-Wunder genau betrachten. 

Schneeballschlacht auf einer wunderbaren Eisscholle

 

Später gab der Kapitän bekannt, dass er eine wunderbare Eisscholle entdeckt habe, und dass die Crew alles vorbereiten würde für einen „Spaziergang“. Ich betrat die mit hohem Schnee bedeckte Eisscholle. Und es überfiel mich ältere Dame ungemäßer Übermut, der in einer Schneeballschlacht endete. Was ein Spaß! An diesem Tag zeigten uns die Biologen noch Fundstücke der Reise und die Nahrung der Wale – Krill – unter dem Mikroskop. Wieder ein Tag wie im Märchen.

28. Dezember 2019. Seetag

Ich möchte noch eine kleine Besonderheit des Schiffs erzählen. Im Treppenhaus klafft ein „Riss“ in der Wand. Vom dritten bis zum obersten Deck. Feuerrot erleuchtet. Ein interessanter Design-Effekt. Mir gefallen solche gestalterischen Besonderheiten.

Eines Tages kam eine sehr schöne und gut gekleidete junge Frau auf mich zu und sagte: dass sie und ihr Mann die Dame hinter der großen Brille – also mich – kennenlernen möchten. Sie würden mich gern einladen, mit ihnen das Abendessen einzunehmen. Ich war erfreut, nahm an, und wir hatten einen sehr unterhaltsamen Abend. Dem noch weitere folgen sollten. Wie gesagt: Ich bin zwar allein gereist, aber ich habe mich nie einsam gefühlt.

29. Dezember 2019. Half Moon Island

120 Kilometer von der antarktischen Halbinsel entfernt erwartete uns eine Zodiac-Überfahrt zu einer Kolonie von Zügelpinguinen und eine Wanderung entlang der Küste. Die sichelförmige Halbinsel stellt den Kraterrand eines einstigen Vulkans dar. Zahlreiche Seevögel waren zu beobachten. Nachmittags dann die Ankunft in Deception-Island. Wie ein riesiges Hufeisen liegt die Insel vor uns. Sie ist ein in sich zusammen gefallener Vulkan mit einer Caldera, in die das Schiff durch eine enge Öffnung einfährt. Flankiert wird die – laut Kapitän – nicht einfache Einfahrt durch markante Felspfeiler. 

Der Vulkan ist noch aktiv. Am Rand brodeln heiße Quellen. Eine ehemalige Walfang-Station, welche 1927 durch vulkanische Aktivitäten zerstört wurde, und ein alter Flugzeughangar waren noch zu sehen. Mutigen bot sich die Gelegenheit, hier im antarktischen Gewässer zu baden. Die Badenden waren nur sehr kurz im Wasser, denn dessen Temperatur betrug – trotz Vulkanheizung – nur etwa drei Grad. Danach Rückkehr zum Schiff mit dem Zodiac. Diese Zodiac-Fahrten haben mich süchtig gemacht. Ich konnte nicht genug davon bekommen. Das Tempo, der Geruch des Meeres, die Gischt und die Seebären, die oft genug neben dem Boot auftauchten.


Expedition Antarktis - Große Expeditionsroute intensiv

Datum: 10.01.2025 bis 28.01.2025 | 18 Tage
Schiff : HANSEATIC inspiration
Reisenummer: INS2501
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Expedition Antarktis - Große Expeditionsroute intensiv

Datum: 04.01.2025 bis 22.01.2025 | 18 Tage
Schiff : HANSEATIC nature
Reisenummer: NAT2501
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30. Dezember 2019. Paradise-Bay

Die Paradise-Bay liegt an der Westseite der antarktischen Halbinsel. Mit der Meinung, dass nach all den spektakulären Höhepunkten dieser Reise kaum eine Steigerung möglich sei, irrten wir. Was wir hier erlebten, nahm mir den Atem. Mir flossen die Tränen. Eine unvorstellbare und nicht zu schildernde gewaltige Eiswelt lag vor uns. Riesenhafte Gletscher, treibende Eisberge in den skurrilsten Formen und Größen. Das Eis im ganzen Spektrum von türkis bis blau. Unser Bootsführer meinte, es ist gut, dass die Sonne nicht scheint, denn dann seien die Blautöne intensiver. Ich, die beruflich mit Farben zu tun hatte, konnte mich an den herrlichen Nuancen gar nicht satt sehen. 

Ehemalige Walfänger, übermannt von der Schönheit, die sie hier sahen, gaben der Bucht diesen Namen. Und ich konnte sie verstehen: Diese vergletscherten Gebirgspanoramen sind ein in Eis erstarrtes Paradies. Ich wusste sofort: So etwas werde ich nie mehr in meinem Leben sehen. Als ich zurück an Bord völlig überwältigt rief ich: Ich muss nicht mehr in den Himmel kommen, denn ich war schon im Paradies, sagte ein Herr, der das hörte, das solle die Überschrift für mein Buch über diese Reise sein. Und so dachte ich: Ja, das wäre eine Idee auch für meinen Reisebericht.

Unser Schiff nahm nun Kurs auf Petermann Island. Hier erwartete uns die Passage des Lemaire-Kanals. Er bildet eine Meerenge zwischen dem antarktischen Festland und der vorgelagerten Booth-Island. Die Länge beträgt etwa 13 Kilometer, und die schmalste Stelle misst 520 Meter. Am Nordeingang befindet sich auf der Festland-Seite der Doppel-Gipfel des Cup Renard mit einer Höhe von 747 Meter. In der Seemannssprache wird er „Unas Titts“ genannt, in Anlehnung an eine vollbusige Schönheit. Wieder pausenloses Fotografieren. 

Nachmittags erreichten wir den südlichsten Punkt unserer Reise. Wir gingen an Land. Petermann Island war schneebedeckt, unsere Vorhut hatte einige Wege abgesteckt, und ich war froh, dass in meiner Kabine ein Paar Walking-Stöcke bereit lagen. Die Anlandung war abenteuerlich, schon wegen des Schnees. Als ich los stakste, liefen neben mir sehr hochnäsig und mit herausgereckten, weißen Bäuchlein einige Pinguine. Ich glaubte zu ahnen, was sie dachten über uns in den blauen Parkas, die wir so ungeschickt durch den tiefen Schnee tappten.

31. Dezember 2019. Port Lockroy und Neko Harbour

Mit Port Lockroy besuchten wir die einzige Post-Station in der Antarktis. 1996 wurden die Gebäude vollkommen renoviert. Heute dienen sie als Museum, das Postamt wird vom „Antarctic Heritage Trust“ betrieben, es gibt einen kleinen Souvenir-Laden. Wissenschaftler untersuchen zudem die Auswirkungen der anlandenden Schiffe mit ihren Passagieren auf die Pinguine. Nur ein Teil der Insel ist für Besucher zugänglich, der Großteil aber nicht. Die Resultate der Untersuchungen zeigen, dass die Pinguin-Kolonie im geschützten Bereich deutlich weniger Nachkommen hat als die in dem Bereich, der betreten werden darf. Offenbar vertreibt die Anwesenheit der Menschen die Raubmöwen, welche Pinguin-Küken und Eier erbeuten.

Die Umgebung war wieder spektakulär – riesige Eismassen, Gletscher, das schollenbedeckte Meer, die Zodiacs, die zwischen Schiff und Strand pendelten. Wir stiegen auf einen Hügel, in der Nähe nisteten Zügelpinguine. Da beobachtete ich etwas ganz und gar Entzückendes. Die Nester waren mit kleinen Steinen gebaut. Ich sah eine Mama auf einem Küken sitzen, das ab und zu neugierig hervorlugte. Der Papa ging den kleinen Berg hinunter und suchte ein Steinchen, das er im Schnabel hinauf zum Nest brachte und einbaute. Die Mama begrüßte ihn freudig und gab ihm als Dank so etwas wie einen Kuss. Dann ging Papa den nächsten Stein holen. Der kleine Kerl nahm seine Arbeit sehr ernst. Nur gibt es auch unter Pinguinen einige Schlawiner, die lieber beim Nachbarn einen Stein klauen als sich selbst auf den beschwerlichen Weg zu machen. Wir erlebten, wie die kleinen Pinguine zu Kampfhähnen wurden. Und der Dieb das Weite suchte. 

Mit tiefer Dankbarkeit geht es in das neue Jahr

 

Wieder „zuhause“ angekommen, putzten wir uns für das Silvester-Dinner heraus. Meine von Australien kommende Freundin, mit der ich täglich – als die einzigen – auf dem Außendeck frühstückte, lud mich zum Abend an eine internationale Tafel. Die Runde bestand aus einem Schweizer mit seiner bezaubernden chinesischen Gattin, einer Dame aus London, einem Ehepaar aus Nordamerika, meiner australischen Freundin und mir. Es war eine überaus fröhliche Runde, es gab viel zu lachen, und der Abend verging wie im Fluge. Dazwischen servierte man uns das exzellente Dinner, das einige Überraschungen an Köstlichkeiten brachte und viel Champagner. Als der Tanz eröffnet wurde, wollte ich sofort die Flucht ergreifen. Doch meine Schweizer verhinderten das – und wir saßen fröhlich bis 2020 beisammen. 

Ich hatte später noch das Bedürfnis, in dieser herrlichen Nacht allein an Deck zu gehen und für meine Lieben zu Hause all meine Wünsche mit einer Wolke in Richtung Heimat zu senden. Ich dachte in tiefer Dankbarkeit an sie. Auch meine lieben Verstorbenen bekamen einen innigen Gruß. Mein Herz war voll von Dankbarkeit, dass es das Leben so gut mit mir meint. Mit wunderbarem Frieden im Herzen ging ich beglückt in meine Kabine.

1. Januar 2020. Kurs Ushuaia

Nach ausgiebigem Horchen an der Matratze – der Kater schnurrte – wie immer ein tolles Frühstück – mit viel Hering für den Kater – auf der Außenterrasse mit Carla aus Sydney vor einer Märchenkulisse in reiner und klarer Luft. Das neue Jahr soooo zu begrüßen, ohne Worte. Ein Seetag mit viel Wehmut, denn Kurs Ushuaia hieß: baldige Heimkehr und Abschied von diesem Superschiff und all dem Großartigen dieser Reise. Der Tag verging vorwiegend mit Informationen und Vorbereitungen für die Abreise. Um 22 Uhr lud der Kapitän ein. Eine von der Crew dekorierte Seekarte wurde verlost. Der Kapitän gab einen sehr positiven Rückblick auf diese Reise. Man hatte den Eindruck, dass auch er sie genossen hatte. Die Crew sang Seemannslieder. Die Drake-Passage präsentierte sich gutmütig, und ich stand mit meinem Fernglas lange auf dem Oberdeck.

2. Januar 2020. Seetag

Gegen 22 Uhr ist die Ankunft im Hafen von Ushuaia vorgesehen. Die letzte Nacht steht bevor in meiner heimeligen Kabine, mit diesem großartigen Komfort und den spektakulären Ausblicken. Hier fühlte ich mich geborgen und wohl. Jetzt kam die Wehmut. Wir fuhren durch den Beagle-Kanal, einer Wasserstraße an der Südspitze Südamerikas, die den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Mittig verläuft die Grenze zwischen Argentinien und Chile. Am nördlichen Küstenverlauf befindet sich Ushuaia, die südlichste Stadt Argentiniens. Abends war noch bei herrlichem Wetter ein Spaziergang durch diese Stadt möglich. Und dann die letzte Übernachtung.

3. Januar 2020. Abschied

Die Crew stand Spalier, sogar der Kapitän ließ es sich nicht nehmen, uns zu verabschieden. Ein letzter Dank. Aber, ach, ich bin nicht so für Abschiede. Ankunft in Buenos Aires. Nach einer Nacht in einer wunderschönen Suite landete ich viele Stunden später in Frankfurt. Nie habe ich die Stadt als so trist empfunden: keine Eisberge, keine Pinguine. Dennoch große Freude, dieses besondere Abenteuer erlebt zu haben.

 

Hier geht es zum ersten Teil des Reiseberichts.


Kleines Nachwort

Ich lernte viele nette Menschen kennen. Vielleicht lag es an meinen großen Brillen. Auch die Kleidung ist nicht ganz alltäglich. Das liegt wohl daran, dass ich in meinem früheren Leben auch in der Mode tätig war. Viele Gespräche begannen so: Ihre Brillen sind toll. Wo kann man diese finden? So ergaben sich viele sehr unterhaltsame Begegnungen mit wunderbaren Gesprächen, aber ohne Brillen und ohne Mode.

Dass diese Reise eine Besonderheit war, dafür gibt es viele Faktoren: Hapag-Lloyd Cruises stellte uns ein großartiges Schiff. Der Kapitän steuerte uns sicher durch die abenteuerlichsten und schwierigsten Gewässer. Die mit den Zodiacs angefahrenen Orte in ihrer Einsamkeit und Unberührtheit waren so ausgewählt, dass man diese Eindrücke nie vergessen wird. 

Die Experten waren mit ihrem Wissen von hohem Niveau. Was mir jedoch besonders am Herzen liegt, ist die gesamte Crew: ihre Freundlichkeit, ihre Hilfsbereitschaft, ihr Einsatz und ihre Kompetenz ließen mich immer wieder staunen. Hier möchte ich allen Menschen von Hapag-Lloyd Cruises danken für einen besonderen Jahreswechsel und eine unvergessliche Reise.

Fotos: Archiv, Privat, Susanne Baade

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