In 72 Tagen um die Arktis. Weltpremiere mit MS BREMEN: im extremen Norden Sibiriens.
Erstmals durchfährt ein Schiff in einer Reise Nordwest- und Nordostpassage. Kapitän Ulf Sodemann berichtet vom Besuch auf der Bolschewik-Insel. Sie gehört zum erst 1913 entdeckten Archipel Sewernaja Semlja im extremen Norden Sibiriens.
von Kapitän Ulf Sodemann
Nach einer windigen Nacht, in der die BREMEN auf nördlichen Kursen durch Treibeisfelder kreuzte, erreichen wir um 8 Uhr morgens unseren Ankerplatz unterhalb der Prima Station auf der Bolschewik-Insel. Strahlende Sonne, blauer Himmel und gute Sicht versprechen einen schönen Tag für unseren Besuch der Forschungsstation.
Es ist ein besonderer Tag, heute ist Bergfest! Der halbe Weg der Nordostpassage liegt hinter uns. Viele besondere Momente konnten wir bereits erleben, immer von wechselnden Wettern geprägt. Was also wird dieser Tag bringen? Das Erkundungsboot fährt zur geplanten Landestelle. Nachdem kurz die Einzelheiten mit den Stationsmitarbeitern geklärt worden sind, macht sich das erste Boot mit erwartungsfrohen Gästen auf den Weg zum Besuch an Land. Von der Anlandestelle bis zur Station führt uns ein von rostigen Fässern gesäumter Pfad durch eine tief verschneite Winterlandschaft – mitten im arktischen Sommer.
Weltpremiere mit MS BREMEN: das Denkmal für die unbekannten Forscher
An der Station angekommen, haben wir Gelegenheit, die Anlage auf eigene Faust zu erkunden. Es ist eine bunte Mischung aus kleinen Holzhäusern, modernen Containerbauten, einem beachtlichen Fuhrpark schneetauglicher Fahrzeuge aus verschiedenen Jahrzehnten und unterschiedlichstem technischen Gerät für die wissenschaftlichen Arbeiten. Daneben findet man alles für den normalen Alltag. Aber was heißt hier schon normal…?
Man führt uns über das Gelände zum Denkmal für die unbekannten Forscher, die in der Arktis ihr Leben verloren haben. Diese Inselgruppe im Nordpolarmeer wurde erst im Jahr 1913 entdeckt. Wir streifen um die Gebäude, betrachten die technischen Anlagen oder wärmen uns in der kleinen Kantine bei Tee und Gebäck auf. Die Mitarbeiter empfangen uns sehr gastfreundlich und beantworten geduldig unsere Fragen. Wie viele Menschen leben hier? Jemand antwortet: 16. Eine anderes Mitglied aus dem Team meint: 18. Russische Gelassenheit – auf einer sonst unbewohnten Insel im Nordpolarmeer, die fast so groß ist wie Schleswig-Holstein.
Interessante Forschungsarbeiten werden uns erklärt, zum Bespiel die Messung der Gaszusammensetzung der Erdatmosphäre. Früher wurden dazu Raketen von hier aus 30 Kilometer in die Höhe geschossen, eine Messeinheit schwebte dann an einem Fallschirm herunter und sammelte alle Daten. Granatenreste liegen hier noch. Heute aber steigen Wetterballons auf, die Daten werden auf dem Weg „nach oben“ gesammelt.
Jeder Landgang geht einmal zu Ende. Auf dem Weg zurück zu den Zodiacs genießen wir das herrliche, winterliche Wetter und den Blick auf unsere BREMEN. Sicher liegt sie in der Bucht vor Anker und wirkt fast etwas klein. Aber wir wissen, ihre Größe und Bauart sind perfekt für Reisen dieser Art. So interessant es an Land auch war, es ist immer wieder schön, zurück an Bord zu kommen und einzutauchen in die besondere „BREMEN-Atmosphäre“, wie es viele unserer Gäste nennen.
Weltpremiere mit MS BREMEN: am Horizont ein weißer Schleier…
Zur Mittagszeit hieven wir Anker und fahren weiter auf nördlichen Kursen. Bei Musik, Pölser – dänischen Hot-Dogs – und anderen Leckereien auf dem Lido-Deck blicken wir zurück auf die weite Landschaft, deren Schneedecke in der hellen Sonne funkelt. Während die BREMEN langsam die Bucht verlässt, umfahren wir imposante Eisberge und nehmen Kurs auf das Packeis. Nach Auswertung der aktuellsten Eiskarte müssten wir schon ganz nah sein. Am Horizont meint man bereits einen weißen Schleier zu sehen, und entsprechend setzen wir den Kurs.
Nach ca. 2,5 Stunden Fahrt haben wir tatsächlich die Kante eines Treibeisfeldes erreicht. Nur wenig später wird ein Eisbär gesichtet, der uns neugierig bestaunt. Wir haben die „Back“, das vordere Arbeitsdeck, geöffnet. Und von dort beobachten wir den König der Arktis.
Das Schiff liegt gestoppt im Eis, die Sonne scheint, und ohne Wind ruht die See zwischen den Eisschollen wie ein Spiegel. Kaffee trinken? Egal! Vortrag? Verschoben! Alle sind auf den Decks und genießen diesen besonderen Moment in der Natur. Das ist Expedition pur! Irgendwann gegen Abend nimmt die BREMEN wieder langsam Fahrt auf. Und macht sich auf den Weg zu ihrem nächsten Ziel.
Fotos: Steffen Graupner, Ansgar Walk