Jankitscha. Mit MS BREMEN zur Insel des Donnergotts
Expedition Kamtschatka, Tschukotka und Kurilen. MS BREMEN besucht eine Doppel-Insel zwischen Nordpazifik und Ochotskischen Meer: Jankitscha. Vulkanologe und Lektor Steffen Graupner über einen Ort, der für die Ureinwohner eine besondere Bedeutung hatte…
Expedition Kamtschatka, Tschukotka und Kurilen. Mit MS BREMEN zur Insel des Donnergotts. || Für die Ainu, die Ureinwohner des nördlichen Japans, Sachalins und der Kurilen, waren die zwei Inseln Jankitschas die Wohnstatt ihres Donnergottes. Darüber hinaus galt Jankitscha für sie als heiliger Ort – mit den heißen Quellen, dampfenden Fumarolen und den unzähligen, ja auch schmackhaften Seevögeln.
Der Schiffsführung unserer BREMEN bereitet Jankitscha zunächst weniger Wohlbehagen, eher etwas Kopfzerbrechen. Mit wunderschönem Sonnenaufgang haben wir sehr früh am Morgen die Insel inmitten der Kurilenkette erreicht, das Wetter ist sonnig und stabil, die Schiffsliegeposition geschützt vor dem Schwell – also eigentlich ideale Anlandebedingungen. Das Scoutboot mit dem Expeditionsleiter und den Lektoren macht sich schon vor sieben Uhr auf in Richtung Caldera, um die Anlandung vorzubereiten. Doch statt das zauberhafte Morgenlicht zum Fotografieren nutzen zu können, sitzen wir mit dem Zodiac auf einer Sandbank fest. Schnell ist das Schlauchboot wieder flott. Aber viel mehr Wassertiefe gibt es auch in der Caldera nicht. Schweren Herzens kehren wir zurück, vertiefen uns erneut in die Gezeitenvorhersagen. Vor Mittag wird das Wasser nicht ansteigen für die Einfahrt in die Caldera. Zeit für ein gutes Frühstück!
Als erster Europäer beschreibt der Schweizer Volksschullehrer Arnold Gruber die Insel
Währenddessen vertiefe ich mich in die erste neuzeitliche Beschreibung Jankitschas, die der Schweizer Volksschullehrer Arnold Gruber 1932 in den „Mitteilungen der Geographisch-Ethnographischen Gesellschaft Zürich“ verfasst hat. Gruber hatte seit den 1920er Jahren auf Hokkaido als Lehrer gearbeitet. Als bergaffiner Schweizer hat er so ganz „nebenbei“ mit Schülern und Studenten die erste japanische Berghütte gebaut, damit dem japanischen Alpinismus den Weg geebnet. Und auf seinen Reisen entlang der Kurilen hat er jede einzelne Insel beschrieben:
„Eigentlich handelt es sich bei Jankitscha um zwei kleine Inseln, die größere im Süden und die kleinere im Norden. Die Südinsel ist etwas größer und besteht aus dem nur wenig über die Wasserfläche emporreichenden Vulkan Uschischir, dessen Krater auf der Südseite durch das Meer angebrochen wurde. Der Eingang ist nur etwa 200 Meter breit und wenig tief, für Schiffe ist er nicht passierbar. In der Kraterbucht erheben sich zwei kleine Inselchen, welche Heuhaufen ähnlich sehen.
Der Strand auf der Innenseite der Bucht ist breit und weist heiße Quellen auf, die schon den Russen bekannt waren (Pallas). Milne traf 1879 eine Bevölkerung von 56 Ainus, die sich offenbar nur vorübergehend hier aufhielten, aber die Insel und besonders die heißen Quellen waren ihnen von jeher bekannt. Die höchste Erhebung der Insel ist der Mikasayama (401m). Schwefel soll auf Uschischir in der Kraterbucht vorhanden sein.“
Die moderne Vulkanologie hat seit Arnold Gruber weitere Fakten zu Uschischir zusammen getragen: Es ist ein andesitischer Vulkan, dessen Caldera von anderthalb Kilometern Durchmesser vor 9.400 Jahren gebildet wurde. Heute ist diese Caldera zum größten Teil mit Meerwasser aufgefüllt. Zwei kleine andesitische Lavadome – Grubers „Heuhaufen“ – formten sich in der Caldera irgendwann nach dem Besuch Kapitän Snows 1769. Die letzte größere Eruption gab es im Juli 1884, und im Herbst 1988 erhöhte solfatarische Aktivität. Im Wasser aufsteigende Gasblasen, veränderte Meerwasserchemie und Bakterienmatten weisen auf fortdauernde unterseeische vulkanische Aktivität hin.
Nach dem Frühstück nutzen wir die Zeit bis zum mittäglichen Ansteigen der Flut und bieten unseren Gästen eine Zodiacrundfahrt an. Schopf-, Zwerg-, und Bartalke besiedeln die Insel zu Hunderttausenden. Daneben entdecken wir Dreizehenmöwen, Eissturmvögel und Kormorane. Arnold Gruber schreibt das der Abwesenheit von Polarfüchsen zu:
„Auf den Inseln hat es keine Füchse, was vielleicht der Grund war, daß diese landschaftlich schönen Eilande zu einem Vogelparadies werden konnten, wo sich Tausende und Abertausende von Seevögeln niederlassen; es sind vor allem Taucherarten, die hier eine prächtige Brutstätte finden.“
Dank der ruhigen See und des Könnens der Zodiacfahrer wagen wir uns Motor voran hinein…
Offensichtlich haben die Füchse seitdem jedoch einen Weg auf die Insel gefunden, und wir entdecken in den Vogelklippen zwei abenteuerlich kletternde Exemplare. Der Brutvogelpopulation scheint dies indes nicht geschadet zu haben. Direkt in die Vogelfelsen hinein führt eine wenige Meter breite Höhle. Dank der ruhigen See und des Könnens der Zodiacfahrer wagen wir uns Motor voran in die Höhle hinein. Rostbraune Muscheln, grüne und gelbe Algenteppiche und der weiße Vogelkot der Dreizehenmöwen tauchen die dunkle Höhle in ein surreales Farbgewand.
Nach der Mittagspause auf dem Schiff können wir dann am frühen Nachmittag bei Hochwasser auch mit den Zodiacs in die Caldera hineinfahren. Dank der Flexibilität des Kapitäns und der Brücke bei der Routenplanung, gewinnen wir die wichtigen Stunden, um uns Uschischir wandernd zu erschließen. Direkt an der Anlandestelle ist ein kleines Solfatarenfeld mit einer heißen Quelle. Zum Strand finden sich dann gleich noch eine Handvoll Füchse ein für den Fototermin. Die ganze Dimension von Jankitscha eröffnet sich den Gästen, die durchs dichte Graswerk den beschwerlichen Weg hinauf auf den Calderarand nehmen. Vielleicht ist Jankitscha die „Insel des Donnergottes“ – für uns ist sie eine absolute Trauminsel!
Text und Bild: Steffen Graupner