Lieblingsplätze. Das große Interview. Steffen Schraut
Lieblingsplätze. Das große Interview. Steffen Schraut. Wir laden Entscheider ein auf ein intensives Gespräch: Es geht um das Leben als Reise und um die Arbeit als Leben, um Verantwortung und Wettbewerb, Widersprüche und Zahlen. Den Ort für das Gespräch bestimmt der Gast. Steffen Schraut ist ein großer Name in der Fashion-Welt. Sein Stil gilt als dynamisch und unkonventionell, luxuriös und sexy, zeitlos und feminin. An Bord der EUROPA 2 wird der Designer im Rahmen von Fashion2Sea exklusiv seine Kollektion zeigen. Wir treffen ihn vorab in seinem Düsseldorfer Showroom.
Sein Lieblingsplatz: die Insel Capri
Früher Vormittag. Steffen Schraut sitzt am Schreibtisch, führt Telefonate und beobachtet wie die Kollektion für eine Modenschau zusammen gestellt wird. Der Showroom seines Labels ist weitläufig. Der Eingang wirkt wie eine luxuriöse Boutique – mit edel präsentierten Taschen und Schuhen, im Mittelteil drängen sich ungezählte Kleiderständer mit der exklusiven Mode des Designers, und nach hinten schließt sich eine Bürofläche an mit einigen Schreibtischen, an den Computermonitoren sitzen eine Handvoll Mitarbeiter. All das wird zusammen gehalten von der Energie eines dynamischen Mannes in blauen Hosen, mit blauem Crew Neck-Pullover, sehr blauen Augen und roten Sneakern. Steffen Schraut hat etwas, war nur wenigen Menschen gegeben ist – eine beeindruckende Präsenz…
E2MAG: Diese Gesprächsrunde heißt „Lieblingsplätze“. Ihrer ist allerdings gar nicht der Showroom?
Steffen Schraut: Nein, mein Lieblingsplatz ist Capri. Ein Ort, an dem ich mich nach der heißen Phase des Modejahrs entspanne. Die Kollektionen prägen das Jahr. Erst die Arbeit in den Ateliers, dann die ersten Muster. Damit geht es auf die Messen, bei denen unsere Kunden ordern. Und danach, wenn alles vorbei ist, dann reise ich nach Capri. Und verrückterweise liebe ich die Insel besonders im August…
…wenn viele, viele andere Capri ebenfalls lieben?
Ja, die Insel ist voll. Dennoch entfaltet sie ihren Zauber, wenn am Abend die Tagesgäste weg sind, wenn sich eine besondere Stimmung über die Piazzetta legt. Großartig!
Meine Inspiration finde ich auf Reisen.
Haben Sie ein eigenes Haus auf Capri?
Nein, wir wohnen in einem Hotel. Seit Jahren im selben, im „J.K. Place“, und da immer im selben Zimmer. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so reisen würde. Aber ich schätze das Vertraute. Und wir mögen den Stil des Hotels, er entspricht auch unserem privaten Einrichtungsstil.
Sie sind intensiv gereist in Ihrem Leben. Woher kommt es, dass Sie inzwischen eine vertraute Umgebung vorziehen?
Vielleicht, weil es einem das Gefühl gibt, unterwegs nach Hause zu kommen. Es ist wie ein Stück Heimat auf Reisen. Man wird begrüßt wie ein Freund. Man kennt sich aus.
Als Trendscout waren Sie fast überall. Was bedeutet das Reisen heute für Sie?
All meine Inspiration hole ich aus dem Reisen. Früher bestand meine Aufgabe darin, für ein großes Modehaus zu prüfen, was in den Trendmetropolen der Welt angesagt ist. Ich flog nach Paris, London, New York, Los Angeles und fotografierte Schaufenster, besuchte Modeschauen, streifte durch Szene-Viertel. Das war vor 20 Jahren. Damals konnte man noch nicht per Google Street View durch fremde Städte ziehen oder in Blogs von aktuellen Modetrends lesen. Ich war ständig unterwegs. Verrückt, aber es ist ein Job, den es heute so gar nicht mehr gibt.
Wie wurde aus dem Trendscout ein Modemacher?
Ich habe meine Beobachtungen immer gesammelt, in Scrapbooks wie diesem hier. Die stehen heute noch bei mir im Regal. Mein Mentor, der auch mein Auftraggeber war, mochte den Stil dieser Aufzeichnungen, mochte meine Art, Mode zu sehen, und sagte irgendwann zu mir: `Du solltest eine eigene Kollektion machen.´ Vor 14 Jahren brachte ich die erste auf den Markt.
Sie machen Mode für Frauen. Was zeichnet Ihren Stil aus?
Mir ist aufgefallen, wie sich Mütter und Töchter modisch entwickeln. Wenn die Töchter sich für Mode zu interessieren beginnen, ändern oft auch die Mütter noch einmal ihren Stil. Daraus entstand das Bedürfnis, eine Mode zu kreieren, die beiden gefällt. Lieblingsstücke für Mutter und Tochter, die man immer wieder gern trägt. Das Alter spielt dabei ja keine Rolle mehr, die 60-jährige von heute ist überhaupt nicht zu vergleichen mit der 60-jährigen von einst. Ich liebe die Gelassenheit, mit der viele Frauen mit ihrem Alter umgehen.
Sie kreieren Lieblingsstücke, die frau immer wieder gern trägt. Aber ist Mode nicht das Gegenteil von nachhaltig?
Mode ist Schönheit und Glamour, nach außen untouchable. Aber es ist ein knallhartes Business. Es war schon immer unser Ziel, eine Kollektion zu erschaffen, die lange in den Schränken unserer Kundinnen hängt. Wir wollen nicht nach einer Saison ausgetauscht werden, weil die Stücke unmodern geworden sind. Für uns ist es wie für einen Kreuzfahrt-Anbieter, wenn der Gast auf dem Schiff bereits die nächste Reise bucht: Es ist ein Kompliment, wenn der Kunde wieder kommt.
Hatten bzw. haben Sie unternehmerische Vorbilder?
Eines war immer meine Mutter. Sie hatte einen ganz eigenen Stil, ließ sich nichts vorschreiben. Und ihre Herzlichkeit habe ich für meinen Stil übernommen.
Sie kommen aus einer Fashion-Familie?
Ich komme aus einem 500-Seelen Dorf in der Nähe von Reutlingen. Meine Mutter leitete den familieneigenen Textilbetrieb, mein Vater war Banker. Der Liebe wegen hat es mich nach Düsseldorf verschlagen. Es ist für mich das „kleine Paris“ – mit viel Wasser, vielen Grünflächen und einem der tollsten Flughäfen der Welt, der einen überall hinbringt.
Einerseits bin ich Perfektionist…
Inzwischen haben Sie mehr als 30 feste Mitarbeiter – und hunderte weitere, die von Ihnen abhängig sind. Was für ein Chef ist Steffen Schraut?
Einerseits bin ich ein Perfektionist. Aber ich bin auch ein großer Zweifler und immer supernervös vor einer Kollektions-Präsentation. Das dürfen alle im Team ruhig merken. Wir sind wie eine Familie, arbeiten oft unglaublich viel. Deshalb bestehe ich auch an normalen Tagen darauf, dass das Team um 17 Uhr nach Hause geht. Ich will, dass meine Mitarbeiter ein Privatleben haben, Sport treiben, Freunde oder Familie treffen. Es ist wie auf einem Schiff: Ich bin der Kapitän. Doch dass Schiff und Kapitän glänzen können, das hängt von den Mitarbeitern im Hintergrund ab. Erfolge sind gemeinsame Erfolge.
Wie halten Sie den Druck aus?
Ich bin nur so stark, weil ich jemanden hinter mir stehen habe, der dreimal so stark ist wie ich. Er liebt es, zu kochen um Stress abzubauen. Ich kann überhaupt nicht kochen, bin aber der perfekte Esser, weil ich alles esse. Er liebt es Auto zu fahren. Ich hasse Auto fahren, bin aber der perfekte Beifahrer. Wir reisen viel zusammen. Erlebnisse teilen zu können, das ist für mich ein großer Luxus.
Zum Schluss eine ganz pragmatische Frage an den Fashion-Profi: Welche Kleidungsstücke empfehlen Sie einer Frau, die auf Kreuzfahrt geht?
Oh, das ist einfach. Eine weiße Bluse sieht immer super aus – tagsüber lässig und sexy, abends sehr angezogen und förmlich. Und ein Cape – das kann man um die Hüfte binden oder über die Schultern legen, es kleidet und wärmt.
Waren Sie schon einmal auf einem Kreuzfahrtschiff?
Nein. Die Reise im Mai wird für mich eine Premiere. Ich freue mich schon sehr – und bin tatsächlich bereits ein wenig aufgeregt.