OCEAN SUN Festival 2024: Drei Fragen an fünf Künstlerinnen dieser Reise
Wenn unsere EUROPA am 5. September zu ihrer Reise in die Ostsee ablegt, beginnt ein ganz besonderes OCEAN SUN Festival – im Fokus stehen namhafte Solistinnen. Wir baten fünf von ihnen, für unseren Blog drei Fragen zu beantworten.
Die Cellistin Raphaela Gromes hat mit ihrem Album „Femmes“ monatelang in den Klassik-Charts gestanden. Die Musikerin freut sich auf eine spannende Zeit, nicht nur an Bord.
Liebe Raphaela Gromes, wenn am 5. September die EUROPA ablegt zu ihrer großen Klassik-Festival-Reise, werden Sie Ihr erstes Konzert bereits gegeben haben – als Auftakt in Stockholm. Worauf freuen Sie sich?
Raphaela Gromes: Tatsächlich kenne ich Stockholm noch nicht so gut, ich war nur einmal sehr kurz da und freue mich ganz besonders darauf, dort gemeinsam mit dem Swedish Chamber Orchestra aufzutreten.
Ihr Album „Femmes“ stand monatelang in den Charts. Was bedeutet es für Sie, dass dieses OCEAN SUN Festival im Zeichen weiblicher Eleganz und Virtuosität steht?
Es ist mir natürlich eine große Ehre und Freude, dass das Konzept meiner CD auch das Konzept zu dieser EUROPA-Reise inspiriert hat. Ich glaube, gerade beim Thema Komponistinnen gibt es noch viel zu entdecken. Allerdings ist mir wichtig zu betonen, dass ich nicht denke, dass es weibliche und männliche Kreativität gibt. Kunst kennt keine Geschlechter, Kunst ist Ausdruck des Mensch-Seins, egal ob Mann oder Frau. Ich habe auf „Femmes“ Komponistinnen in den Fokus gerückt, weil diese Aufgrund ihres Geschlechtes im Patriarchat Jahrhundertelang unterdrückt wurden und es an der Zeit ist, diese Frauen heute auch zu würdigen.
Eine Seereise folgt einem ganz eigenen Rhythmus. Was haben Sie sich vorgenommen für die Tage an Bord der EUROPA?
Einiges – zum einen spiele ich ja an Bord gemeinsam mit der Geigerin Ye-Eun Choi und meinem Duopartner Julian Riem ein Triokonzert, unter anderem mit Werken von Clara Schumann und Pauline Viardot-Garcia, zum anderen bereite ich mich auf die Aufnahme von „Femmes 2“ vor, auf dem Album werde ich Cellokonzerte und Cellosonaten von Komponistinnen präsentieren. Ein Teil der Aufnahme findet in der Woche nach der Reise statt, ich lasse mich also auch dafür inspirieren. Außerdem recherchiere ich für ein Buchprojekt zum Thema Komponistinnen, und am 13. September erscheint meine neue CD, Dvorak Cellokonzert und Werke Ukrainischer KomponistInnen mit dem Ukrainiaschen National Orchester. Es ist also eine sehr spannende und dichte Zeit für mich!
Die Violinistin Ye-Eun Choi gilt als eine der gefragtesten weltweit, sie reist viel und hofft auf eine ganz besondere Wirkung dieser Seereise mit der EUROPA.
Liebe Ye-Eun Choi, beim Blick auf Ihren Konzert-Kalender kann einem fast ein wenig schwindelig werden, an so vielen verschiedenen großen Häusern treten Sie auf. Wie oft sind Sie unterwegs?
Ye-Eun Choi: Tatsächlich verbringe ich fast zwei Drittel des Jahres auf Reisen. Obwohl ich das ständige Reisen nicht unbedingt genieße, habe ich es immer geliebt, Menschen zu treffen und mit anderen Musikern zu musizieren. Seit letztem Jahr bin ich auch als Professorin an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln tätig, weshalb ich nicht mehr so viel unterwegs bin wie früher. Beide Aufgaben – als Geigerin und Professorin – bereiten mir große Freude. Daher plane ich, künftig wieder aktiver als Solistin aufzutreten und das Lehren mit mehr Konzertauftritten zu verbinden.
Das OCEAN SUN Festival an Bord der EUROPA steht ganz im Zeichen weiblicher Eleganz und Virtuosität. Was bedeutet es für Sie, dabei zu sein?
Es ist eine wunderbare Gelegenheit, durch die Musik mit Menschen in Kontakt zu treten und die Rolle von Frauen in der Musik zu feiern. Weibliche Musikerinnen haben in der Geschichte viele Herausforderungen gemeistert, und es ist wichtig, diese Erfolge zu würdigen. Früher war es oft schwierig für Frauen, ihr volles Potenzial zu entfalten. Aber heute leben wir in einer Zeit, die ihre Erfolge und ihre Entwicklung unterstützt. Ich hoffe, dass dieses Festival eine Gelegenheit für uns alle sein wird, diese Fortschritte und die Zukunft gemeinsam zu feiern. Dass das Festival in diesem Jahr unter dem Motto weiblicher Eleganz und Virtuosität steht, empfinde ich als große Ehre, und ich freue mich, gemeinsam mit wunderbaren Musikern und meinen lieben Freunden Raphaela Gromes und Julian Riem zu spielen.
Eine Seereise folgt einem ganz eigenen Rhythmus. Bitte geben Sie uns einen Ausblick auf das Programm, das Sie an Bord spielen.
Die Zeit auf der EUROPA bietet eine besondere Erfahrung, die sich deutlich von unserem hektischen Alltag unterscheidet. Sie gibt uns die Chance, dem Stress des Alltags zu entkommen, neue Orte und Menschen kennenzulernen und, was am wichtigsten ist, uns selbst eine Auszeit zu gönnen, um nach innen zu schauen. Musik spielt dabei eine zentrale Rolle, denn sie hilft uns, unsere inneren Emotionen und unsere Seele zu erwecken und unsere Sensibilität zu vertiefen. Aus diesem Grund haben wir ein lyrisches und romantisches Programm vorbereitet. Wir werden unter anderem Brahms' Violinsonate, ein Stück von Pauline Viardot Garcia für Cello und Klavier, Mendelssohns Klaviertrio und Clara Schumanns Klaviertrio spielen, das besonders gut zum Motto dieses Festivals passt. Ich freue mich darauf, dass wir alle gemeinsam in diese romantische Musik eintauchen können.
Die Sopranistin Juliane Banse hat schon viele Erfolge gefeiert. Sie wird eine besondere Interpretation von Schuberts Winterreise bieten und schätzt das Schiff als Wiege.
Liebe Juliane Banse, die Ostsee im schönsten Spätsommer - und Sie werden an Bord der EUROPA aus Schuberts Liederzyklus „Winterreise“ singen. Dieser wird ja traditionell von Männern interpretiert. Wie viel wollen Sie unseren Leserinnen und Lesern schon vorab verraten über Ihre besondere Herangehensweise?
Juliane Banse: Dass der Zyklus vor allem von Männern gesungen wird, ist eigentlich eine Sache der Vergangenheit. Schon Christa Ludwig und Brigitte Fassbaender haben den allgemein menschlichen Zustand des lyrischen Ichs in dem Stück herausgestellt. Was ich an unserer Interpretation besonders schätze, ist das nebeneinander einer weiblichen Sängerin und eines männlichen Tänzers! Es entstehen Momente und Konstellationen, in denen offen bleibt, wessen Worte gerade gehört werden. Spreche oder singe ich, was der Tänzer fühlt? Tanzt er, was ich singe? Geht das parallel oder einander entgegen? Die Konstellation macht es dem Zuschauerinnen und Zuhörern leichter, einen eigenen Zugang zum Inhalt der „Winterreise“ zu finden.
In diesem Jahr steht das OCEAN SUN Festival ganz im Zeichen weiblicher Virtuosität. Sie werden begleitet auch von einigen männlichen Künstlern. Ist das ein Widerspruch?
In meinen Augen überhaupt nicht. Und ich gestehe, dass ich mit dem Begriff einer „weiblichen“ Kreativität nicht viel anfangen kann. Wir alle, ob Mann oder Frau – oder alle dazwischen – werden doch inspiriert durch Begegnungen und Austausch.
Eine Seereise folgt einem ganz eigenen Rhythmus. Worauf freuen Sie sich für diese Zeit an Bord der EUROPA?
Ich war schon mehrere Male auf der EUROPA, und am meisten freue ich mich auf das Schaukeln beim Einschlafen, das unglaublich gute Essen und das Kennenlernen neuer Menschen und Orte!
Die Pianisten Alexandra Dariescu hat schon viele Preise gewonnen. Und sie interessiert sich leidenschaftlich dafür, weniger bekannte Komponistinnen zu entdecken.
Liebe Alexandra Dariescu, Sie haben bereits viele Künstlerinnen wiederentdeckt oder gar neu entdeckt. Was bedeutet es für Sie, Teil des diejährigen OCEAN SUN Festivals der EUROPA zu sein?
Alexandra Dariescu: Ich war schon immer leidenschaftlich daran interessiert, die Werke weniger bekannter Komponisten zu erkunden, insbesondere von Frauen, deren Stimmen in der Geschichte oft übersehen wurden. Dieses Festival bietet eine Plattform, ihre Musik zum Leben zu erwecken und ihre enormen Beiträge zur Welt der Musik zu feiern. Es ist eine Reise der Wiederentdeckung, nicht nur für das Publikum, sondern auch für mich. Jedes Stück, das ich aufführen werde, ist ein Zeugnis für die Widerstandsfähigkeit und Brillanz dieser Frauen. Ich fühle mich geehrt, Teil dieser Reise zu sein.
Sie werden verschiedene Werke an Bord aufführen. Wenn Sie eines davon hervorheben und kurz vorstellen sollten, welches wäre das?
Clara Schumanns Notturno. Dieses Werk ist mir unglaublich wichtig, da es die gleiche Sensibilität und träumerische Qualität einfängt, die man im zweiten Satz ihres Klavierkonzerts in a-Moll findet – ein Stück, das ich kürzlich für mein neuestes Album aufgenommen habe. Das Notturno ist ein intimes, introspektives Werk, das den Zuhörern ermöglicht, in Claras innere Welt einzutauchen. Jedes Mal, wenn ich es spiele, werde ich an die Zärtlichkeit und Nuancen erinnert, die Clara in all ihre Kompositionen einfließen ließ. Durch diese Aufführung hoffe ich, dem Publikum einen Einblick in die emotionale Landschaft einer der bemerkenswertesten Komponistinnen der Geschichte zu geben.
Eine Seereise hat ihren eigenen einzigartigen Rhythmus. Was haben Sie für Ihre Tage an Bord der EUROPA geplant?
Da es der Beginn der neuen Saison ist und mein Terminkalender sehr voll ist, werde ich erst am Tag meines Recitals auf die wunderschöne EUROPA kommen und auch nur einen Tag an Bord verbringen. Trotz des kurzen Aufenthalts freue ich mich am meisten auf die Ruhe des Meeres und das Gefühl der Gelassenheit, das es mit sich bringt. Außerdem ist es meine erste Kreuzfahrt, also bin ich sicher, dass es spektakulär wird. Ich kann es kaum erwarten!
Die Saxofonistin Asya Fateyeva lehrt in Hamburg und will das Blasinstrument mehr ins Bewusstsein der Klassik rücken. Dabei bringt sie viel Erfahrung mit an Bord.
Liebe Asya Fateyeva, nicht viele werden das Saxofon als ganz selbstverständlichen Bestandteil klassischer Musik kennen, sondern eher im Jazz oder Pop verorten. Was beeindruckt Sie an diesem Instrument?
Asya Fateyeva: Mich faszinieren die klangliche Möglichkeiten am Saxophon. Es kann sehr ausdrucksvoll, sinnlich, schön oder auch provokant, virtuos oder zart klingen. Es hängt alles von der Spielerin, dem Spieler ab. Auch deshalb erinnert es mich an die menschliche Stimme und dessen Ausdrucksmöglichkeiten.
Sie lehren in Hamburg an der Hochschule für Musik und Theater. Die Seefahrt gehört in der Hansestadt zum Alltag. Haben Sie schon Seereisen unternommen?
Tatsächlich war ich schon einige Male an Bord, sowohl auf EUROPA als auch auf der EUROPA 2. Das waren immer musikalische Reisen, und sie bleiben bei mir heute noch sehr stark und besonders in Erinnerung.
Eine Seereise folgt einem ganz eigenen Rhythmus. Welche Musik wird Sie auf Ihrer Playlist für diese Zeit an Bord der EUROPA begleiten?
Gerne würde ich die Zeit nutzen, um von der Welt etwas abzuschalten. Dabei werde ich bestimmt auf verschiedenste Genres kommen, die ich für mich noch nicht entdeckt habe und mich für die weitere Zeit damit zu inspirieren. Ich liebe es, die Grenzen dabei zergehen zu lassen.
Fotos: Archiv, Marco Borggreve, Interview: Dirk Lehmann