Plätzchen unter Palmen und „Kevin allein zu Hause“ auf dem Pool Deck – eine ungewöhnliche Vorweihnachtszeit an Bord unserer EUROPA 2
41 Paletten mit Weihnachtsdekoration wurden angeliefert, der Duft von Keksen liegt über dem Schiff, und bald riecht es nach Gänsebraten. Dennoch fühlt sich diese Vorweihnachtszeit an Bord für die Crew ganz anders an als alle zuvor. Von unserer EUROPA 2 berichtet Travel Concierge Sandra Griffel.
"It´s beginning to look a lot like Christmas…" (Michael Bublé)
Es ist 07.15 Uhr. Ich betrete die Brücke auf Deck 10. Noch ist alles dunkel, die Lichterkette der EUROPA 2 eingeschaltet, und auch alle anderen Schiffe um uns herum leuchten. Mit einem Kaffee in der Hand sehe ich zu, wie sich der Himmel vor mir langsam rosa verfärbt. Kleine Fischerboote, über denen Möwen kreisen, vervollständigen das Bild. Ich genieße die Aussicht. Die Wolken leuchten im Morgenlicht erst pink und dann tief orange. Eine herrliche Ruhe liegt noch über dem gesamten Schiff. Jetzt steigt die Sonne als gelber Ball aus dem Meer zwischen Teneriffa und Gran Canaria auf – und lässt alle Schiffe hell aufleuchten.
Ich bin dankbar, dass ich diesen Augenblick genießen darf, fernab der Heimat, die im Moment aus den Fugen geraten zu sein scheint. Das Schiff nehme ich als ein Stück heile Welt wahr, in der fast alles so ist wie immer. Aber auch nur fast. So ganz ohne Gäste fühlt es sich doch anders an. Etwas orientierungslos, obwohl man doch die Küste fest im Blick hat und wir im wahrsten Sinne fest verankert sind. Das Schiff umhüllt uns wie ein Kokon, vermittelt uns Sicherheit und Geborgenheit, spendet in diesem Chaos Trost und gibt uns die Hoffnung, dass bald wieder ein Stückchen Normalität zurückkehrt.
41 Paletten Weihnachtsdekoration
Daran glaubt die Crew ganz fest. Die Weihnachtsvorbereitungen laufen auf Hochtouren, angefangen bei der Dekoration, die mir ins Auge fällt, sobald ich die Brücke verlasse und das Treppenhaus hinuntergehe. Mühevoll und mit viel Liebe zum Detail haben die Kolleginnen und Kollegen des Housekeepings mit tatkräftiger Unterstützung der Rezeption alle Decks geschmückt. Jedes wurde passend zum jeweiligen Farbkonzept gestaltet. Dafür wurden 41 Paletten Weihnachtsdekoration mit insgesamt 5.720 Kilogramm Gewicht verladen. Zwei Wochen hat es gedauert, die Echtglaskugeln aufzuhängen, alle Bäume zu schmücken und die restliche Dekoration aufzubauen. Wie ich hörte, sind dabei wohl nur 10 Kugeln zu Bruch gegangen! Nicht schlecht. Allein bei nur einem Baum wären mir zu Hause wahrscheinlich doppelt so viele Kugeln heruntergefallen.
Während ich so durch das geschmückte Schiff schlendere, frage ich mich, ob ich eigentlich selbst in Weihnachtsstimmung bin? Schwer zu sagen. Draußen herrscht strahlender Sonnenschein, tagsüber erreichen die Temperaturen 25 Grad. Es ist eher ein Wetter, um in der Sonne zu liegen und im Pool zu baden, statt in den sonst üblichen Vorweihnachtsstress zu verfallen. Für die Crew wurde auf dem Pool Deck eine Kaffee- und Eistee-Station aufgebaut. Manchmal wird nachmittags Softeis ausgegeben oder es gibt frische Waffeln, welche – da werden mir alle EUROPA 2-Gäste sicherlich zustimmen – die besten auf den sieben Weltmeeren sind. Nein, so richtig will sich bei diesen Rahmenbedingungen die Weihnachtsstimmung noch nicht bei mir einstellen.
Oder doch? Küchenchef Timon Lohrengel erzählt soeben, dass rund 500 Kilogramm Gans von der EUROPA zu uns transferiert wurden. Und wie ich ihn kenne, wird er daraus einen ganz besonderen Festschmaus zaubern. Außerdem werden Plätzchen gebacken und Lebkuchenhäuser gebaut. Plätzchen... Ich muss an vergangene Weihnachtsfeste denken. Stunden, die man in der Küche zugebracht hat, Teig kneten, Formen ausstechen und die fertigen Sterne, Tannenbäume und Rentiere verzieren – dazu Weihnachtsmusik in Endlosschleife, versteht sich. All das zusammen mit den Eltern, den Geschwistern und den Großeltern. Eine Tradition, die bei mir sofort ein Gefühl von Familie und Geborgenheit hervorruft.
Zusammengezogen von verschiedenen Schiffen der Hapag-Lloyd Cruises Flotte, fühlen auch wir uns mittlerweile wie eine Art Familie. Entstanden ist ein besonderer Gemeinschaftsgeist. Kolleginnen und Kollegen, die sonst vor allem auf der EUROPA oder auf einem der Expeditionsschiffe anzutreffen sind, arbeiten jetzt Seite an Seite mit der Crew der „Großen Freiheit“. Unterschiede werden schon lange nicht mehr gemacht – wir sitzen jetzt alle in einem Boot. Und das schweißt zusammen.
Entschleunigung und Ruhe in der Vorweihnachtszeit
Zudem hat man die Zeit, Kollegen der anderen Arbeitsbereiche besser kennenzulernen. Wir sitzen abends zusammen, wir unterhalten uns, spielen Karten oder Gesellschaftsspiele. Eine Beschäftigung, die sich mittlerweile großer Beliebtheit erfreut. Die derzeitige Situation bietet auch neue Möglichkeiten: Entschleunigung und Ruhe in der sonst stressigen Vorweihnachtszeit. Was wir sonst vor allem unseren Gästen nahelegen und ihnen an Bord ermöglichen wollen, versuchen wir für uns umzusetzen. Kraft tanken für die Zeit, die noch kommt. Der Zusammenhalt jedenfalls ist stärker denn je und wird noch weiter gefestigt durch gemeinsame Events, etwa einem Crew-BBQ mit Blick auf Santa Cruz de Tenerife im Yacht Club.
Während ich auf dem Pool Deck so über die vergangenen Tage sinniere, darüber, dass man nicht immer alles so ernst nehmen und auch die kleinen Momente genießen sollte, setzt sich eine Kollegin zu mir. Sie hat ihren Wohnsitz nach Teneriffa verlegt und ist dort bereits seit vielen Jahren zu Hause. Wie man Weihnachten auf den Kanaren feiert, frage ich sie. „Hoch auf den Teide fahren, mit dem Schlitten im Schlepp, um dort einen Schneemann zu bauen. Vorausgesetzt, es liegt Schnee“, sagt sie. Schnee auf Teneriffa? Das könne auf dem höchsten Berg Spaniens durchaus vorkommen. Sie erzählt, dass man den Schneemann dann auf die Motorhaube des Autos setzt, um ihn dann vorsichtig ins Tal zu bringen. „Sollte man es tatsächlich geschafft haben, werden Fotos mit der ganzen Familie gemacht.“ Wir müssen beide lachen.
Anschließend fährt man, mit Weihnachtsmützen auf dem Kopf, an den Strand und verbringt dort den restlichen Tag. Abends wird groß mit Familie und Freunden gefeiert und ein Festmahl mit Suppe, Tapas und viel Fleisch aufgetischt – typisch kanarisch eben. Bis tief in die Nacht wird gefeiert und getrunken. Nur die Geschenke, die kommen erst am 6. Januar. Das ist in ganz Spanien so, in der Tradition des Landes bringen die Heiligen Drei Könige die Geschenke. Was ihr besser gefalle, deutsches oder kanarisches Weihnachten? Die Wärme sagt ihr mehr zu. Auf Schnee und Dauerkälte könne sie verzichten. Den Schmuck hängt man auf den Kanaren eben nicht an Tannenbäume, sondern in die Palmen. Festliche Stimmung komme trotzdem auf.
So viele verschiedene Gebräuche. Doch im Grunde geht es immer um denselben Kern: Familie, Gemütlichkeit, sich eine Auszeit nehmen. Und es geht um die kleinen Rituale der Vorweihnachtszeit. Eines, auf das ich nicht mehr verzichten möchte, ist das Öffnen des ersten Türchens des Adventskalenders. Jedes Crew-Mitglied hat einen als Überraschung auf die Kabine gelegt bekommen. Egal ob jung oder alt, beim Öffnen des Adventskalenders verspürt jeder eine gewisse Euphorie und Feierlichkeit.
„Kevin allein zu Hause“ auf dem Pool Deck
Mittlerweile neigt sich ein weiterer Tag dem Ende zu, und ich stehe erneut an Deck. Die Sonne, die ich heute Morgen habe aufgehen sehen, verschwindet als feuerroter Ball hinter der Insel. Auch heute, am Abend des 1. Advent, gibt es wieder ein Highlight. Unsere Techniker haben eine große Leinwand mit Beamer aufgebaut, im EUROPA 2-Kino unter Sternen wird der Weihnachtsklassiker „Kevin allein zu Hause“ gezeigt. Dazu gibt es Wein, allerdings keinen Glühwein, sondern den Temperaturen angepasst – gekühlt. Es ist ein 1. Advent, wie ich ihn garantiert nicht noch einmal erleben werde. Ich lehne mich zurück und genieße den Film, den ich jedes Jahr schaue, egal ob ich zu Hause bin oder wo auch immer in der Welt. Der Film wird mir nicht langweilig.
Es ist eine Tradition, die man sich selbst geschaffen hat. Und wie ich so die Szenen von Kevin in seinem bunt beleuchteten Haus oder in der Kirche mit dem singenden Chor sehe, wird mir am Ende dieses Tages klar: Ja, ich bin doch in Weihnachtsstimmung. Die Mühe und der Einsatz der ganzen Crew hat sich gelohnt, und man kann es nicht mehr leugnen, dass Weihnachten bereits vor der Tür steht. Es wird wahrscheinlich kein so ausgelassenes Fest wie wir es aus vergangenen Jahren gewohnt sind. Aber eines wird es trotz allem sein – ganz besonders, hier an Bord der „Großen Freiheit“, auf der die Welt vor uns liegt.
Schon bald werden wir wieder Gäste an Bord begrüßen. Am 4. Dezember beginnt die erste Reise der EUROPA 2 durch die Inselwelt der Kanaren. In unserem Blog werden wir darüber berichten!
Fotos: Miroslav Dakow, Text: Sandra Griffel