Weltreise mit Stil: Kaviar für die EUROPA
Mit MS EUROPA von Miami nach Dubai – in 141 Tagen von der Neuen in die Alte Welt: Panamakanal, Südsee, Osterinsel, Great Barrier Reef, Philippinen, Indien, Dubai. In den 20 Wochen berichten wir immer wieder von Bord, führen Interviews, publizieren Nachrichten von vor Ort – Statusmeldungen einer sehnsüchtig machenden Reise
Miami • La Guaira • Valparaiso • Papeete • Auckland • Sydney • Manila • Ho-Chi-Minh-Stadt • Rangun • Colombo • Dubai
Gut geht es den Gästen an Bord der EUROPA. Sehr gut. Damit das so bleibt, müssen die Lager stets gefüllt sein. Das ist nicht immer einfach. Schließlich ist der Luxusliner auf der ganzen Welt unterwegs. Und man kann nicht auf einer entlegenen Insel im meist ohnehin kleinen Supermarkt für 400 Gäste und 280 Crewmitglieder Lebensmittel einkaufen…
Manchmal wird die Nacht zum Tag: Doch nur selten verzögert sich durch das Beladen die Abfahrt der EUROPA
Eine Reportage von Lutz Jäkel (Fotos und Text)
Verantwortlich dafür, dass es erst gar nicht so weit kommt, ist der Hotel Inventory Controller der EUROPA, kurz der HIC. Er ist an Bord der Herrscher über 20.000 Artikel, die auf rund 800 Quadratmetern in den Unterdecks verstaut werden. Alle fünf bis sechs Wochen findet ein so genanntes Heavy Storing statt, egal wo auf der Welt die EUROPA dann festgemacht hat, stehen mehrere LKW mit zehn bis zwölf 40-Fuß-Containern an der Pier, befüllt mit der Produktpalette eines mittleren Supermarktes und eines kleineren Feinkostladens. In Standard-Containern werden die Dinge des täglichen Bedarfs angeliefert, von Stecknadeln und Gläsern über Servietten bis zum Toilettenpapier, in Tiefkühl-Containern kommen Fleisch und Fisch, in Kühl-Containern die Getränke.
Strammes Programm: In der kurzen Liegezeit an einem Hafen mit Infrastruktur werden die Vorräte aufgefüllt
Im Durchschnitt verschwinden rund 170 Tonnen im Bauch des Schiffs, etwa: zehn Tonnen Fleisch, davon zwei Tonnen Rindfleisch mit rund 500 Kilogramm Filet, eine Tonne Butter, 5.300 Liter Milch, drei Tonnen Mehl, 4.000 Rollen Toilettenpapier, 2.200 Liter Eiscreme, 6.000 Flaschen Wein, 4.200 Liter Bier, 2.500 Flaschen Champagner und Sekt – und eine Tonne spezieller Reis für die philippinischen Crewmitglieder. Alle zwei bis drei Wochen muss zudem neue Frischware gebunkert werden, etwa 15 Tonnen an Obst und Gemüse und rund 15.000 Eier. Das wird entweder lokal eingekauft oder es kommt mit dem Flieger, zusammen mit den Blumen aus Holland. Die rund 1.200 Austern und 300 Hummer, die alle zwei Wochen angeliefert werden, liegen in Styroporkisten auf feuchtem Zeitungspapier und Seetang wohl gebettet. So sind sie gute vier Tage transportierbar. Deshalb muss gerade dafür der Transportweg genau berechnet sein.
Das Allerheiligste unter Deck
Der Aufwand ist enorm. Doch über Geld wird nicht gesprochen. Nur so viel: Der Wareneinsatz pro Passagier liegt deutlich, sehr deutlich über dem, was auf anderen vergleichbaren Kreuzfahrtschiffen investiert wird. Fünf-Sterne-Plus, in jeder Hinsicht. „Wir versuchen, alles möglich zu machen. Meistens gelingt es uns. Aber nicht immer“, sagt Stefan Femerling von der Hamburger Firma Sea Chefs, die für Einkauf und Kontrolle der Waren zuständig ist. „Unsere Aufgabe besteht darin, rund um den Globus zur EUROPA das zu liefern, was die Gäste von einem Luxusliner dieser Kategorie erwarten.“ Und das ist nicht wenig. Auch an der Südspitze Argentiniens, in Ushuaia, dem selbst ernannten Ende der Welt, dürfen Gutsleberwurst und Schwarzwälderschinken auf dem Frühstückstisch nicht fehlen.
Wichtig für die Reisen der EUROPA, doch selten an Bord: Stefan Femerling versorgt das Schiff weltweit
Doch wie läuft das ab? Wenn der HIC über das Warenwirtschaftssystem ‚Fidelio Cruise’ seine Ware bestellt, klingelt bei Stefan Femerling eine E-Mail im Posteingang. Er nimmt dann Kontakt zu den Händlern auf, schreibt die Lieferungen aus, holt sich Preise ein, bestellt die Ware. Diese wird verladen, verschifft und ist, wenn die Zollformalitäten geklärt sind, ein paar Wochen später auf der EUROPA. Femerling hat überall seine Agenten sitzen und besitzt inzwischen ein gut sortiertes Notizbuch mit Telefonnummern von lokalen Händlern auf der ganzen Welt.
In den heiligen Hallen unter Deck befindet sich auch das Allerheiligste. Nur drei Personen an Bord haben Zutritt: Kapitän, Hotel-Manager (Hotman) und HIC. Nur sie können jene dicken Türen öffnen, hinter denen die Kaviarvorräte verstaut sind, meist rund 70 Kilogramm im Wert von rund 30.000 Euro. „Pro Reise werden etwa 15 Kilogramm verbraucht, allein am Galaabend rund sieben Kilo“, sagt Femerling, der von allen nur ‚Femi’ gerufen wird.
Keine Chance für die Austern
Zu Beginn jeder Reise bekommt der HIC eine Liste von allen Abteilungsleitern mit den Sonderwünschen der Gäste. Manche sind Allergiker, einige essen nur glutenfrei, ein anderer verträgt kein Salz, andere trinken nur eine ganz bestimmte Sorte Mineralwasser oder können auf ihr morgendliches Müsli aus dem Reformhaus nicht verzichten. Darauf muss man reagieren. Ein Nein gibt es auf der EUROPA nicht. So möchte eine Diabetikerin süßen Senf zum Essen. Süßer Senf ohne Zucker? Nach Rücksprache mit der Küche werden 500 Gramm gelbe Senfkörner bestellt, dann wird der Senf mit Fruchtzucker an Bord angerührt.
Regionale Spezialitäten: Selbstverständlich wird auch auf Märkten eingekauft. Vor allem lokale Delikatessen
Vieles wird weit im Voraus geplant, Einkaufen vor Ort kommt selten vor. „Wir müssen unseren Gästen einen Standard bieten, den wir nur einhalten können, wenn wir die Ware von unseren Händlern per Container zur EUROPA geschickt bekommen“, erklärt Femerling. „Natürlich bemühen wir uns, auch lokal einzukaufen, aber das ist mehr ein ‚nice to have’.“ Doch gerade für die Erlebnisküchen auf dem Lido-Deck, für die Spezialitäten der jeweiligen Destinationen zubereitet werden, schwärmen dann Teams auf die Märkte vor Ort aus. Manchmal geht es aber auch schief, wie sich Silvio Ulrich, langjähriger HIC auf der EUROPA, erinnert: „Auf einem Fischmarkt in Südkorea haben wir Austern probiert – ich lag anschließend zwölf Tage mit einer Fischvergiftung im Krankenhaus.“ Der HIC als Vorkoster für die Gäste.
Für Stefan Femerling gibt es andere Probleme: „Das größte Hindernis sind die letzten Meter vor dem Schiff. Tausende von Kilometern legen die Austern zurück, die Kühlkette kann über Tage eingehalten werden, alles klappt. Und dann fahren die Muscheln auf einer Kutsche bei 50 Grad Lufttemperatur zum Schiff. Das überlebt keine Auster.“ Es gibt aber auch andere Probleme: Bei einer Getränkelieferung hatte an Bord des Containerschiffes jemand den Thermostat offenbar verdreht. Statt plus 6 Grad waren es minus 20 Grad. Die meisten Flaschen waren geplatzt, die Korken hatten sich aus den Weinflaschen gesprengt.
Manchmal müssen alle helfen. Doch den Schlüssel zum Allerheiligsten – dem Kaviarraum – haben nur drei Personen an Bord
Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die den Logistikplan gefährden. Im argentinischen Ushuaia war einmal der Hafen überfüllt, die EUROPA lag an der Pier, doch das Containerschiff mit dem Nachschub auf Reede. Container in Sichtweite und doch unerreichbar. Wieder waren es die letzten Meter vor dem Schiff. Oder es sind die verschiedenen Einfuhrbestimmungen der jeweiligen Länder: Kanada und Australien tun sich besonders schwer mit der Einfuhr, obwohl es sich nur um Transitware handelt und die Ware gar nicht ins Land eingeführt wird. Singapur hat hohe bürokratische Auflagen. So ist Alkohol verboten, deshalb möchten die Behörden es ganz genau wissen: Marken, Flaschen- und Gebindegrößen, Alkoholgehalt, Haltbarkeitsdatum etc.
Doch dieses Mal wird alles gut. Denn auch die beiden noch fehlenden LKWs mit der brisanten Ware sind gerade noch rechtzeitig eingetroffen. Aber jetzt zählt jede Minute, jeder muss anpacken. Eine Dreiviertelstunde später ist alles erledigt, der HIC macht seine Meldung: „Kapitän! Alles ist verladen, die Tür ist zu!“ Das Schiff legt ab, die Reise geht weiter. Doch schon werden wieder die Warenbestände überprüft, und Stefan Femerling organisiert das nächste Heavy Storing. Da summt eine E-Mail im Posteingang: Ist der Weihnachtsbaum schon bestellt?