Workout and Travel: Personal Training, elektrisch

Datum: 17.03.2015
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Kreuzfahrten, so ein beliebtes Klischee, machen dick, schließlich gebe es ständig zu essen. Das stimmt auch. Zudem ist das Essen an Bord der EUROPA 2 sehr gut. Doch auch das Fitness-Studio des Schiffs ist beeindruckend. Personal Coach Sascha Heller bietet individuelles Training – und schließt mich an das moderne Miha Bodytec-System an

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Mann am Draht: Personal Coach Sascha legt mir die Miha-Sensoren an, zeigt die Haltung und schaltet den Strom ein…

Eine Reisereportage von Dirk Lehmann (Text) und Susanne Baade (Fotos)

Der Muskel führt ein Eigenleben. Und zuckt in einem Rhythmus, den ich nicht beeinflussen kann. Es ist schon irgendwie surreal. Ich sehe auf meinen Oberschenkel, der spannt, entspannt, spannt, entspannt, spannt, entspannt. Ohne, dass ich etwas tue.

„Soll ich den Impuls ein wenig erhöhen?“ fragt Sascha Heller.

Er steht an einem Schaltpult mit diversen Reglern, deren Skalen mir nichts sagen. Bis er auf mein Nicken hin an der ganz linken ein wenig dreht. Jetzt spüre ich den leichten Stromschlag deutlicher. Anfangs kitzelt es bloß, dann wird ein Britzeln daraus, ein Kneifen, ein Pieksen, ein blitzender Stich.

„Uff“, ächze ich, „das ist zu stark.“

Sorry. Sascha dreht den Regler Schritt um Schritt zurück, bis sich der Impuls angenehm anfühlt. Und doch deutlich spürbar ist. Die Oberschenkel haben jetzt ihre Amplitude gefunden, führen ein Eigenleben in meinem Körper. Als nächstes kommt der Po dran, der untere Rücken, der Bauch, die Brust, die Oberarme. Alle Muskeln werden von Sascha in Schwingung gebracht und zucken jetzt vor sich hin. Verrückt, man bewegt sich, ohne es zu wollen, ist nicht mehr Herr des eigenen Körpers. Werde ich gerade zum Darsteller eines Science Fiction Films?

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Um den Strom gut zu leiten, wird die Ausrüstung nass gemacht. Ja, manchmal zwickt es auch ganz heftig

Nein. Ich bin im Fitness Club des Ocean Spa auf der EUROPA 2 und mein Personal Training Coach Sacha stellt mich für das Miha Bodytec-System ein. Was das ist? Aktuelle sportwissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass für die Stärkung der Muskulatur bloßes Dauerpumpen an Sportgeräten allein nicht nützlich ist. Es gibt diverse, alternative Konzepte, die alle einen ähnlichen Ansatz verfolgen – in Intervallen mit klar definierten Pausen einzelne Muskelgruppen zu stärken.

Das MiHa-System macht sich einen weiteren Effekt zunutze. Es regt die Muskeln durch einen elektrischen Impuls an, genau darauf abgestimmte Übungen erhöhen die Anforderungen an den Muskel. Nicht nur Sportler, die an ihrer Fitness arbeiten, profitieren davon, auch für die Reha nach Unfällen oder Operationen oder etwa für die Stärkung des Rückens, um einem Bandscheibenvorfall entgegen zu wirken, eignet sich das Impulstraining. Das unbestrittene Ergebnis dieser Elektro-Fitness: Schon nach kurzer Zeit sind Erfolge spür- und sichtbar.

Mich hat das Konzept neugierig gemacht. Denn eigentlich bin ich ein leidenschaftlicher Sportler. Die Crux liegt im Wörtchen „eigentlich“: Zwar habe ich ein tolles Rennrad, das so teuer war wie ein gut erhaltener Gebrauchtwagen, doch sitze ich in letzter Zeit vor allem im Bürosessel und immer seltener auf dem schmalen Sattel. Und, zugegeben, wenn ich dann mal frei habe, fällt es mir oft genug schwer, mich aufzuraffen.

Das Grundproblem lässt sich durch Miha sicherlich nicht lösen. Aber das System bietet einen großen Vorteil, es macht das Training effektiver, verkürzt somit den nötigen Zeitaufwand. Und taugt vielleicht als Ergänzung zum Rad. Gut jedenfalls, dass ich es an Bord des Schiffs ausprobieren kann. Ein Service, der so übrigens auf EUROPA und EUROPA 2 gleichermaßen angeboten wird.

Meine Sportkleidung habe ich dabei. Doch muss ich mich zu Beginn der Session umziehen. Für das Miha-System wird mir Kleidung gestellt, in Hose und Shirt aus angenehm zu tragender Baumwolle sind Fäden eingenäht, die Feuchtigkeit und Strom gut leiten. Darüber werden mir von Sascha Heller Gurte an Oberschenkel und Oberarm angelegt, ein Hüftgürtel und eine große Weste. In der schwarzen Kleidung mit den Anschlussmöglichkeiten für diverse Kabel sieht man aus wie ein Cyborg.

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Selbst einfache Dinge fallen doppelt schwer: „Komm, schlag zu! Fester!“ Man fühlt sie wie ein Sportler in Watte

Sascha ist sehr muskulös, freundlich, sehr umsichtig. Während er mir die Gurte anlegt, erklärt er den Ablauf der Trainingsstunde: Die elektrischen Impulse stimulieren für einen Zeitraum von nur wenigen Sekunden in einem festgelegten Rhythmus ganze Muskelgruppen. Währenddessen soll ich verhältnismäßig leichte sportliche Übung ausführen, die mir bald aber schon gar nicht mehr sooo leicht fallen. Nach 20 Wiederholungen erfolgt eine kurze Pause. Kurz vor Beginn der nächsten Session, muss ich die Grundposition einnehmen – eine aktive Hocke wie ein Abfahrtsläufer, die Hände mit Druck zusammen gepresst. Dann die nächste Abfolge von Impulsen.

Muskeln zucken. Bewegungen, die ich nicht beeinflussen kann. Es ist verblüffend, wie schweißtreibend die nur wenige Sekunden dauernden Intervalle sind. Und es ist noch verblüffender, wie schwer es mir bald schon fällt, gegen den Elektroimpuls anzukämpfen. Sascha hält mir einen Trainingshandschuh hin, gegen den ich boxen soll. Doch bereits nach wenigen Schlägen schaffe ich es kaum noch, den Schaumstoff richtig zu treffen. „Box! Ja! Und noch mal! Schlag richtig zu!“ Doch so sehr ich es auch will, der Arm verhungert regelrecht auf dem Weg zum Ziel.

Schließlich liege ich auf einer Yoga-Matte und relaxe. Ganz schwache Stromschläge rieseln durch meine Muskulatur, angenehm wie eine Massage. Sascha macht mit mir noch ein paar Dehnübungen zur Entspannung, drückt, schiebt Beine leicht nach hinten, drückt meine Schultern auf den Boden. Ich soll leicht dagegen halten, um die Muskulatur zu lockern.

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Am Ende heißt es: Entspannen. Sascha schüttelt mir die Beine aus – nach einer verblüffend anstrengenden Stunde

„Werde ich Muskelkater an Stellen haben, die ich bis jetzt nicht einmal kannte?“ frage ich. Doch Sascha verneint. Das Training gehe zwar in die Tiefe der Muskulatur, unterstützt aber vor allem bereits aktivierte Bereiche. „Das sieht zwar nach Science Fiction aus“, sagt der Personal Coach der EUROPA 2 jetzt, „es ist aber kein Freak-Training, sondern eine sehr effektive, auch wissenschaftlich belegte Methode.“ Dann fügt er hinzu: „Klar, dennoch wird man nach einer gewissen, nun ja, Trainingspause…“ (hier ein kleines Lächeln) „…an der einen oder anderen Stelle einen leichten Muskelkater haben.“

Das mag ich ja besonders an dieser Reise auf dem Luxusschiff – den Umgang der Mitarbeiter mit dem Gast. Er ist respektvoll aber nicht devot, ehrlich und freundlich, mit viel Expertise und noch mehr Engagement. Und manchmal vielleicht sogar etwas zu höflich. Denn selbstverständlich habe ich schon am Tag danach einen Mördermuskelkater. Ich rufe personal coach Sascha an, um mich zu „beschweren“. Er kichert am Telefon. „Wissen Sie was, ich kann Ihnen da ein paar tolle Übungen anbieten. Kommen Sie doch einfach in einer halben Stunde vorbei…“

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