Ein kalter Nordseewind fuhr den Damen ins frisierte Haar und den Herren unter die eleganten Rockschöße, rüttelte an den Gepäckstapeln auf der Pier. 241 Passagiere gingen im Januar 1891 in Cuxhaven über die Gangway an Bord der AUGUSTA VICTORIA - unter ihnen Direktor Albert Ballin, Chef der Passage-Abteilung der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG). Der Hamburger Reeder begleitete die abenteuerlustige Reisegesellschaft auf dieser "Lustfahrt". Die erste Kreuzfahrt der Geschichte führte in den "Orient", dem damaligen Sehnsuchtsziel wohlhabender Reisender.
Am 22. Januar 1891 stach der schwimmende Rokoko-Palast AUGUSTA VICTORIA in See. Die von Albert Ballin als "kühne Reisende" bezeichneten Gäste der ersten "Excursion", unter ihnen viele britische Ladys, bewunderten die verspiegelte Pracht der Säle (etwa das elegante "Damenzimmer"). Einen Dampfer zum Vergnügen zu betreten, galt als exotisch und überdies als ungehörig. Besonders für weibliche Gäste. Ist eine solche Reise nicht geistig und körperlich zu anstrengend für das schwache Geschlecht? Der spätere Generaldirektor der HAPAG teilte diese Einstellung ganz offenbar nicht. Neben seiner Gattin Marianne, waren weitere 67 Frauen an Bord.
Damenzimmer der AUGUSTA VICTORIA
Lichtschacht der AUGUSTA VICTORIA
Zu ersten Kreuzfahrt kam es, weil es den visionären Albert Ballin wurmte, den prächtigen Nordamerika-Schnelldampfer AUGUSTA VICTORIA im Winter nutzlos auf Reede dümpeln zu sehen. Wer wollte zu dieser Jahreszeit schon freiwillig den Atlantik überqueren, grimmigen Stürmen trotzend? Gegen den Widerstand der kopfschüttelnden Kollegen im HAPAG-Direktorium setzte Ballin durch: Die Reederei schickt die AUGUSTA VICTORIA im Januar in Richtung Mittelmeer. Die Nachfrage nach Tickets für bis zu 2.400 Goldmark war enorm. Und die Idee einer luxuriösen Vergnügungsreise als Vorbild heutiger Kreuzfahrten geboren.
Während der ersten "Lustreise" hat die illustre Gesellschaft deutscher, britischer und amerikanischer Gäste den hervorragenden Service an Bord genossen: Butler, Bälle und exquisite Speisen. Eine Reihe von Journalisten und der Reportage-Zeichner Christian Wilhelm Allers begleiteten die Reise und füllten die erste Bordzeitung. In der hieß es, unterwegs seien den Hamburgern "drei Dinge eigen" gewesen: "Sie sind bemüht, sich gleiche Reisemützen anzuschaffen, sich alle Mahlzeiten vortrefflich schmecken zu lassen - und Cavierbrötchen zu essen, als ob sie dafür bezahlt werden."
Der junge Direktor Albert Ballin, stets makellos gekleidet, kümmerte sich selbst um beinah alles. Von den Veilchenbouquets für die 67 mitreisenden Damen über die Spiele an Deck bis hin zum Kaisertoast beim festlichen Dinner am Geburtstag von Wilhelm II. - überall waltete Ballins Umsicht, die der HAPAG den Ruf eines "märchenhaften" Gastgebers eintrug.
13 Landausflüge standen auf dem Programm, nachdem der Luxusdampfer die Biskaya passiert hatte, wo - dem üblen Seegang geschuldet - sogar die Musikkapelle verstummte. Am 28. Januar 1891 ging die AUGUSTA VICTORIA mit Blick auf Gibraltar vor Anker. Die weitere Reise führte bei herrlichem Wetter nach Genua. Ein derart glamouröses Schiff hatte man in vielen Mittelmeerhäfen nie zuvor gesehen. Mancherorts wurden die Kreuzfahrtpioniere mit Salutschüssen begrüßt, in Konstantinopel kam sogar der Sultan auf Besuch.
Im März kehrte das HAPAG-Flaggschiff nach Cuxhaven zurück, von Tausenden enthusiastisch begrüßt. Die Reederei nahm nach der gelungenen Premiere fortan Kreuzfahrten als festen Bestandteil ins Programm auf. Und im Laufe der 125 Jahre sollten weitere Innovationen den Ruhm der Reederei mehren: das erste Schiff, das als reines Kreuzfahrtschiff gebaut wurde. Das erste Hallenbad an Bord. Das erste Expeditionsschiff mit hoher Eisklasse. Das Schiff mit dem größten Raumangebot… Ständig wird die Kreuzfahrt von Hapag-Lloyd Cruises neu erfunden. Doch eins ist immer gleich geblieben: Seit 125 Jahren finden die Gäste in ihren Kabinen frische Blumen – wie zu Ballins Zeiten.
Historische Bilder © Hapag-Lloyd AG, Hamburg